Gerhard Rudolf und Ehefrau Ingrid
Visitenkarte:
Geboren am 8. 8. 1932 in Kronstadt
Schüler des Honterus-Lyzeums
Ausgebildeter Fernmeldetechniker. 1949-1990 tätig im Post- und Fernmeldewesen (Centrul tehnic întreținere comunicații Brașov – CTIT)
Ehemaliges Mitglied der Gemeindevertretung und des Presbyteriums.
Seit 2011 ehrenamtliche Betreuung der Fernsehapparate des Altenheims Blumenau
Träger des Apollonia-Hirscher-Preises für das Jahr 2013
Verheiratet, vier Kinder: Helmut (1960), Ortwin (1962), Gerhild (1964), Helga (1968)
Welches ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Ich habe viele schöne Erinnerungen … an die ich mich natürlich nicht mehr erinnern kann (lächelt). Eine Erinnerung, die zu weit zurück liegt, sehe ich so in einem Bild, das man geknipst hatte: Ich bin im Kinderwagen, stelle mich auf und lache in die Welt. Dieses Bild begleitet mich auch in späteren Jahren. Und dann ist da auch diese Erinnerung: Vor unserem Elternhaus war eine große Wildnis, und was dort kreuchte und fleuchte, interessierte mich … vielleicht eher, was kreuchte. Es ist vielleicht komisch, aber es gefiel mir, die Ratten zu beobachten, die es im ungedeckten Graft-Bach gab. Vom Șaguna-Lyzeum abwärts war der Bach noch offen und dann erst wieder hinter den Stadtmauern offen, und dort war ich, vom Kindergarten kommend, lange Zeit stehen geblieben … bis jemand mich sah, und meinen Eltern sagte: „Wisst Ihr, warum der Junge so spät nach Hause kommt? Er sieht dort den Ratten zu.“
Wer war Ihre erste Liebe?
Das war eine Hannelore, aber den Familiennamen erinnere ich nicht. Ich lernte sie im Kindergarten kennen, neben dem Waisenhausgässer Tor. Das Mädchen war blond, es hatte Zöpfchen (lacht). Meine Schwester hatte ja auch blonde Zöpfe, sie hatte sehr schöne lange blonde Zöpfe, die sie dann später aufstecken musste, als sie bereits unterrichtete, damit sie ernster, seriöser aussieht – eine Respektsperson. Unsere Kindergartenliebe hat sich in Händchenhalten geäußert.
Was haben Sie Ihre Eltern nie gefragt?
Im Prinzip konnte ich meine Eltern fragen, was mir eben fragwürdig war.
Ja, also … mein Vater war ja schon ziemlich alt, als er zum Militär eingerückt war und auch auf der Krim-Halbinsel, die abgetrennt war, eingesetzt wurde. Er konnte mit den letzten Schiffen über das Schwarze Meer heimkommen, die dann noch bombardiert wurden, aber seines wurde nicht getroffen. Wenn er dann manchmal in der Nacht aufschrie, habe ich ihn nie gefragt, ob er einen Albtraum hat. Das habe ich ihn nicht gefragt.
Was haben Sie zuletzt bereut?
Ich habe nur kurz bereut, nicht nach Temeswar zur Wiederaufnahme des abgebrochenen Studiums wieder zurückgegangen zu sein. Das habe ich, sagen wir, 1-2 Monate lang bereut, aber dann gar nicht mehr.
Als ich achtzig Jahre alt war, war es das letzte Mal, dass ich im Bucegi-Gebirge, im Mălăești-Tal gewesen bin, unterstützt durch meinen Freund Johannes Brandsch, der mir zugetraut hat, dass ich es schaffen werde. Ich bedauere auch, dass ich nicht mehr Ausflüge gemacht habe; aber andererseits auch, dass ich nicht noch mehr Auto gefahren bin, vielleicht bis zum Meer.
Wie würde ein perfekter Tag für Sie aussehen?
Altersbedingt muss es sein, und es ist auch so: Ich stehe um sieben Uhr oder halb acht auf, aber um acht Uhr muss ich meine liebe Frau wecken, denn sie ist zuckerkrank, und sie muss das genau einhalten. Anschließend schaue ich nach, ob noch etwas Neues am Computer ist; dann haben wir unser gemeinsames Frühstück, haben unsere gemeinsame Ruhe, bis um 10.30 Uhr; und von dann weiter ist meistens der Tag erfüllt.
Jetzt kommt auch wieder die gute Jahreszeit, jetzt kommt auch wieder der Gottesdienst nach Bartholomä, nachher in die Blumenau (lächelt), zu seiner gewohnten Zeit, dass wir hingehen können, dass man einen kleinen Spaziergang macht, und sei es nur bis auf die Burgpromenade, oder wenn ich dann noch einen kleinen Abstecher mache … . Eine ganze Zeit lang – 17 Jahre lang – gab es einen Hund in der Blumenau, den die Polizei dort aufoktroyiert hatte. Die Polizei hatte gesagt: „Ihr beklagt Euch, dass man eingebrochen hat und Ihr habt weder Stacheldraht am Zaun, noch Fenstergitter, nicht einmal einen Hund habt ihr!“ Na, dann wurde Herr Kovács beauftragt: Bring einen Hund! Und dieser drei Monate alte Hund, was hätte der nicht machen können! Und dann hat der Ortwin eine Hundehütte gebastelt, dass der Hund nicht nur im Schopfen haust, und der ist dann mit der Zeit zu einem richtigen Familienhund geworden.
Das ist jetzt schon Utopie: Es geht auch nicht, dass ich allein losfahre und, sagen wir, die Kinder besuche, auch dort an der Ostsee. Und dass ich so schön über den langen Rücken in die Schulerau geh‘, nicht viele Neubauten sehe (lacht) … aber immer wieder nach Hause in unser Heim kommen kann!
Wo haben Sie das Beste gegessen?
Etwas mit Kartoffeln, auf jeden Fall: … Strohkartoffeln oder nur gekochte Kartoffeln mit Zwiebeln … ich bin nicht besonders anspruchsvoll in dieser Beziehung. Meine Frau und ich haben denselben Geschmack, das passt sehr gut zusammen … (lacht), nur, dass ich nicht so sehr auf Fleisch erpicht bin. Wenn es ein zartes Hühnerfleisch ist, so halte ich ja mit, denn als Zuckerkranke muss sie ja zusehen, dass sie auch Fleisch und weniger Kohlenhydrate isst. (Flüstert:) Zuhause ist es am besten. Und Weine interessieren mich nicht, aber zu einem Kartoffelgericht ein blondes Bier, das genügt mir, hie und da. Und wenn es etwas zum Anstoßen gibt, ja! (lacht)
Welches ist Ihr Lieblingsgeräusch, bzw. wessen Stimme mögen Sie am liebsten?
Also, ganz in der Nähe sind es die Amseln, die hier in unserem Hof im Frühjahr singen. Kennen Sie schon die Amseln, die hier auf diesen Verteilerkasten neben der Türe, wo es flach ist und sich die Samenkörner sammeln, kommen?
Ja, da ist auch noch etwas … (Herr Rudolf geht ins nächste Zimmer und holt seine Mundharmonika), da müssen Sie Ihr Diktiergerät ja nicht einschalten, aber weil ich Ihnen bereits gesagt hatte, dass ich mit der Zunge greife … (spielt „Alle Vögel sind schon da“ auf der Mundharmonika).
Wenn Sie Grund und Boden erben würden, was würden Sie damit machen?
Wir haben geerbt, und wir haben die Häuser unseren Kindern geschenkt. Ganz genau konnten wir nicht aufteilen, denn es war ja so, dass nur unser Sohn Helmut im Jahr 1990 ausgewandert ist, und so haben die Kinder, die hier geblieben sind, alle etwas bekommen. Wir müssen nicht noch erben, wir haben geerbt, und haben weitergegeben.
Wofür geben Sie gerne Geld aus?
Im Prinzip, denke ich, gebe ich wenig Geld aus … Eine schöne Fahrt, ja, schon … ich bin seit lange nicht mehr am Meer gewesen, aber hier waren die Sommer sowieso immer sehr heiß, und ich weiß nicht, ob das jetzt das Beste wäre.
Ich habe nicht genau nachgerechnet, aber ich gebe für einen guten Verstärker etwas aus, damit ich ihn verwenden kann, etwa im Altenheim. Der Apollonia-Hirscher-Preis müsste ja jetzt schon aufgebraucht sein, aber das erste, was ich von dem ausgegeben habe, war für eine guten LG-Fernsehempfänger bestimmt, der jetzt unten in der Bibliothek im Altenheim ist, und der mir außerdem die Möglichkeit gibt, ohne zu jemandem ins Zimmer zu gehen, zu prüfen, wie das Programm reinkommt und wie es rausgeht, denn ich habe mir auch eine Ableitung legen lassen oder genauer: wir haben sie mit dem Ortwin gelegt, dass man von dort sehen kann, was in die Anlage geschickt wird.
Was bedeutet es für Sie, evangelisch zu sein?
Zuhause zu sein! Ich bin hier zuhause in unserer Gemeinde und … ja, bevor ich später zum abgebrochenen Studium der Elektrotechnik nach Temeswar gefahren bin, bin ich noch in der Schwarzen Kirche gesessen, vom Westportal gerechnet ganz links im Gestühl, das hat man jetzt verkleinert; und auf der anderen Seite drüben, wer ist dort gesessen? Meine zukünftige Frau, aber ich habe es damals noch nicht gewusst. Erst, als wir in die Jugendstunde zu Pfarrer Möckel gegangen sind, sind wir uns näher gekommen.
Was man bei uns nicht sieht: dass so viel an Aberglauben Erinnerndes dabei ist. Bei uns herrscht Klarheit. Meine Mutter war von Geburt aus zwar katholisch, aber ich kann mir vorstellen, wie ich als kleines Kind am Kinderbettchen stand und sie mir die Hände faltete und sagte:
„Ich bin klein,
mein Herz ist rein,
niemand soll drin wohnen,
als Jesus Christus allein.“
Ja, ich bin in jedem Kindergottesdienst gewesen. Und als ich nach dem Schulabschluss zum Studium der Elektrotechnik nach Temeswar reiste, da bin ich sofort in die evangelische Kirche gegangen.