Ehrengräber
Ehrengräber stellen eine hohe Auszeichnung dar, die die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vergibt. Die Vergabe von ehrenhalber gewidmeten Gräbern erfolgt durch Presbyterialbeschluss. Ehrengräber, die keinen Inhaber besitzen, übernimmt die Gemeinde dauerhaft in Obhut und gewährleistet dadurch ihre Erhaltung.
Eduard Böhlert wurde am 31. Juli 1817 in Kronstadt als Sohn des Hutmachers Johann Böhlert aus Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern) und der Regina Schneider aus Kronstadt als zweites von drei Kindern geboren. In den Jahren 1850-1853 studierte er in Klausenburg Chirurgie.
Mit seinem erworbenen Diplom kehrte er nach Kronstadt zurück; hier wurde er zunächst Gerichtsarzt, um anschließend als Arzt im Siechenhaus zu wirken. Am 22. Oktober heiratete er Louise Gust (1823-1899), die Tochter des Kronstädter Goldschmieds Christian Gottlieb Gust und der Elisabeth Gaatz. Die Ehe blieb kinderlos. Im Jahre 1872 wurde er Stadtarzt im Bürgerspital und 1877 erhielt er das Goldene Verdienstkreuz. 1888 trat er in den Ruhestand und starb am 8. Juni 1890. Einen Nachruf, verfasst von Stadtpfarrer Franz Herfurth, finden wir im „Siebenbürgischen Volksfreund“ Nr. 33 des Jahres 1890.
Eduard Böhlert hinterließ ein ausführliches Testament. Zur Universalerbin wurde die Kronstädter evangelisch-sächsische Kirchengemeinde ernannt mit der Anordnung, dass das unbewegliche Vermögen nie veräußert werden dürfe. Seine Frau erhielt eine Jahresrente von 800 Gulden ö. W. und das lebenslange Wohnrecht im Haus Waisenhausgasse Nr. 7, das sich auch heute noch im Eigentum der Honterusgemeinde befindet. In demselben Haus wohnte auch sein Schwager Wilhelm Gust (1835-1898), von Beruf Fleischermeister, der auch das Recht auf lebenslange Nutzung der Wohnung in dem Haus erhielt. Sein Neffe Dr. Heinrich Gust, Privatbeamter, wohnte zwar auch in dem Haus, jedoch wurde ihm aufgetragen, der Kirchengemeinde Miete zu bezahlen.
Aus dem sich ergebenden reinen Einkommen seines Nachlasses war das Schulgeld für arme evangelisch-sächsische Schüler und Schülerinnen zu entrichten, welche die innerstädtischen evangelischen Lehranstalten A.B. in Kronstadt zu besuchen wünschten. Weiterhin bestimmte das Testament, was mit eventuellen Überschüssen geschehen solle. Der großzügige Stadtarzt verfügte, dass seine Stiftung den Namen „Eduard Böhlertische Stiftung“ tragen solle. Im Jahre des Todes seiner Frau beschloss das Presbyterium, an seinem Haus die Gedenktafel „Stiftungshaus des Stadtarztes Eduard Böhlert, geb. 1817 gest. 1890” anzubringen.
Aus dem genannten Überschuss des Stiftungsgeldes erwarb die Kirchengemeinde 1894 das Haus Marktplatz Nr. 18 und eine Wohnung auf der Flachszeile (Marktplatz Nr. 21). Im Kellergeschoss des Hauses Marktplatz Nr. 18 befinden sich heute der Gemeinderaum und im Obergeschoss der Sitz des Bezirks.
Eduard Böhlert wurde in der Gruft der Familie Gust, in der Inneren Stadt, beerdigt. Die Leichenrede hielt Prediger Fischer und bei der Beerdigung waren viele Schüler und Schülerinnen mit ihren Lehrern anwesend. Eine Gedenktafel der dankbaren Gemeinde wurde zu seiner Erinnerung 2016 an dieser Gruft angebracht.
Peter Simon
Gruft: ISGB16



Peter Czeides ist einer der großen Stifter der Honterusgemeinde. 1878 verfasste er ein ausführliches Testament von vierzig Seiten Umfang, in dem er ursprünglich die Bestimmung traf, dass seine beiden Häuser versteigert werden sollten und was anschließend mit dem Geld zu tun sei. 1885 verfasst er ein Kodizill, mit dem er das Testament abänderte und das Haus Kornzeile Nr. 4 der evangelischen Kirchengemeinde in Kronstadt überließ. Hinsichtlich der Erträge bestimmte er wieder sehr genau, wie sie verwendet werden sollten, einschließlich der Nennung von Summen für Ferienkolonien, in denen unbemittelte Kinder von Gemeindegliedern Aufnahme fanden, für das Erziehungsheim, für den Kirchenbaufonds, für Witwer und Witwen des Gewerbestands oder von Schullehrern usw. Aus Mitteln dieses Kirchenbaufonds kaufte dann die Kirche das Trausch-Haus am Rossmarkt (heute Gheorghe Barițiu) Nr. 7, das Haus Marktplatz Nr. 16 und eine Wohnung im Haus an der Flachszeile Nr. 21.
Die wenigen Informationen über sein Leben entnehmen wir dem Tagebuch von Dr. Eduard Gusbeth, eine wahre Fundgrube für die Jahre 1875 bis 1919.
„11. September 1889. Peter Carl Czeides, Privatmann, wurde heute unter überaus großer Teilnahme des Publicums beerdigt. Er ist am 9.9. gestorben. Im Leichensaal hielt ihm Prediger Nussbächer eine schöne Leichenrede; auf freiem Gottesacker Stadtpfarrer Obert eine zündende, packende, feurige Nachrede. Der Verstorbene verdiente sie auch! Früher Kaufmann in Pest, hatte er sich schon seit Jahren ins Privatleben zurückgezogen und verbrachte hier in Kronstadt als alter Junggeselle seinen schönen Lebensabend; bis er in diesem Jahr erkrankte und am 9. September schön entschlief. Er war ein hagerer, ziemlich hoher Mann, mit freundlichem Gesicht und weißen Haaren. So konnte man ihn seit vielen Jahren mit seinen beiden Freunden Albrecht Schmidt und Carl Resch Tagaus, Tagein durch die Straßen und in der Umgebung der Stadt – bis zum Hangestein, und so weiter, die gewohnten Spaziergänge machen sehen, welche ihn nebst seiner mäßigen Lebensweise bis zu seinem Endleiden, bis ins 80. Jahr am Leben erhielten. – Er bewohnte das schöne Haus auf der Kornzeile Nr. 55 (heute Nr. 4), beim Durchgang gegen den Rosenanger. Vor allem hat ihn sein Testament seinen Mitbürgern unvergesslich gemacht; indem er den größten Teil seines großen Vermögens von etwa 400.000 Gulden fast ausschließlich zu Gunsten wohltätiger Zwecke, darunter für Kirche und Schule vor allem, vermachte. Es wurde veröffentlicht in der Kronstädter Zeitung Nr. 211 des laufenden Jahres. Der Verstorbene hat seit Jahren keine Noterben. Ein Bruder, den er hatte, ist seit vielen Jahren ihm im Tode vorausgegangen. Seine Eltern sind längst tot. Die nächsten Erben mütterlicherseits, die er besitzt, sind die Kinder und Enkel seiner Onkel. … Ob noch andere und wie viele Seitenverwandte am Leben sind, ist mir unbekannt; übrigens hat Peter Czeides niemand unter ihnen vergessen; er hat sie alle mit verschiedenen Legaten bedacht. Sein Andenken wird ein gesegnetes bleiben!“
Aus: Eduard Gusbeth, Tagebuch
An der Gruft von Peter Czeides auf dem Innerstädtischen Friedhof weist eine Tafel den Verstorbenen als Stifter der Kirchengemeinde aus.
Peter Simon
Gruft: ISGC7a


Ein eigener Zufall brachte es mit sich, dass die beiden Männer, von denen heute ganz Kronstadt spricht, die in so hochherziger Weise Ihrer Volks- und Glaubensgemeinde gedachte, so bald nacheinander starben. Sie haben beide des Guten die Fülle getan – binnen 24 Stunden ist die Kronstädter ev. Kirchengemeinde durch die Vermächtnisse dieser braven Männer um 135.000 K reicher geworden und damit vor allem reicher an Zuversicht, dass der rechte Bürgersinn in ihren Gliedern nicht ausstirbt, der wohl auf die Erwerbung irdischen Gutes bedacht ist, dabei aber auch der idealen Güter nicht vergisst, die auch ein kleines Volk mit innerer Größe ausstatten und sichere Gewähr bieten für seine Zukunft.
In erster Linie halten wir es heute für unsere Pflicht, über die äußeren Lebensumstände der Männer Näheres mitzuteilen, deren Namen mit der Geschichte ihrer Kirchengemeinde unlöslich verknüpft sein wird. Solche Lebensbilder, so einfach sie sind, sie verdienen es, dem Gedächtnis der Mitlebenden und damit auch der kommenden Geschlechter eingeprägt werden.
Über Lebensgang des zuerst verstorbenen Apothekers Adolf Honigberger waren uns folgende Daten zugänglich. Adolf Honigberger wurde am 11. Mai des Jahre 1836 als Sohn einer angesehenen Kronstädter Bürgerfamilie geboren. Er absolvierte das hiesige Untergymnasium und trat dann in die Jeckelsche Apotheke ein. Nach Absolvierung der Lehrzeit begab er sich nach Wien, wo er in den Jahren 1857 und 1858 seinen Pharmazeutischen Studien oblag. Nach Beendigung derselben nahm er eine Anstellung in einer Apotheke in Ungarisch-Altenburg, die er nach längerer Zeit aufgab, um die Provisorstelle in der hiesigen Jekelius-schen Apotheke zu übernehmen. Nach mehrjähriger Tätigkeit daselbst kaufte er in Gemeinschaft mit seinem verwandten Karl Fuhrmann die Apotheke Jeckel, um dann nach Verlauf einiger Jahre aus dem Kompaniegeschäft auszutreten und die Obervorstädter Apotheke käuflich zu erwerben, die er bis zum Jahre 1885, wo er sich von den Geschäften zurückzog, beibehielt. A. Honigberger blieb unverheiratet, mit seinen Verwandten unterhielt er fortwährend die freundschaftlichsten Beziehungen. Am öffentlichen Leben beteiligte er sich aktiv in nur geringem Maße, jedoch nahm er stets regen Anteil an dem Geschicke seines Volkes und zog sich nie zurück, wenn es galt, zu irgend einem die Volkswohlfahrt betreffenden Werke des Seinige beizutragen. Eine stille, etwas zur Beschaulichkeit neigende Natur, verkehrte er in den Jahren der wohlverdienten Ruhe nur in einem Freundeskreis, in dem er sich seines bescheidenen, gemütvollen Wesens wegen der größten Hochachtung erfreute. Von dem langen schweren Leiden, das ihm seine letzte Lebenszeit verbitterte, wurde er vorgestern, Sonntag morgens ½ 9 Uhr, durch den Tod erlöst.
Das Vermögen, das der Kronstädter Ev. Kirchengemeinde zufällt, ist (nach Abzug der besonderen Legate, darunter 1000 K für die Obervorstädter Filialkirche und 100 K für den ev. Schulfondverein) auf beiläufig 65.000 K zu schätzen, dieses Vermögen, woraus der Bruder des Verstorbenen eine jährliche Leibrente von 500 K zu erhalten hat, soll zu einem Dritteil zu kirchlichen und zu zwei Dritteilen zu Schulzwecken verwendet werden.
Kirche und Schule werden das Andenken des edelmütigen Stifters in Ehren halten.
Nachruf auf Adolf Honigberger und Friedrich Wolf aus der Kronstädter Zeitung vom 7. Mai 1901
Das Haus das Adolf Honigberger der Honterusgemeinde stiftete, befindet sich an der Ecke Michael Weiss-Gasse / Rosenanger (heute Piata Enescu Nr. 11).
Peter Simon
Gruft: ISGB36



“Der emeritierte Senator Herr Friedrich Honigberger ist nach längerem Leiden heute nachts verschieden. Der Verstorbene erfreute sich durch sein ruhiges und gewinnendes freundliches Wesen allgemeiner Achtung. Er war ein Bücherfreund und hatte sich eine reichhaltige – wenn vielleicht auch nicht eben sorgfältig zusammengestellte – Bibliothek angelegt, über welche man wiederholt die Mutmaßung aussprechen gehört hat, dass sie dereinst für die hiesige evang. Gymnasialbibliothek bestimmt sei! Möge dem Abgeschiedenen die Erde leicht sein.“
Mit diesen Worten wurde der Tod von Senator Friedrich Honigberger in der Kronstädter Zeitung vom 04. Januar 1877 angezeigt. Über das Leben von Friedrich Honigberger ist nicht viel bekannt. Er war das 7. Kind des Kürschners Michael Honigberger. Ein Onkel und ein Bruder waren auch Kürschnermeister, ein Urururgroßvater war Ratsherr und Senator. Über seine berufliche Entwicklung informiert uns Friedrich Stenner in seinem Werk „Die Beamten der Stadt Brassó (Kronstadt) von Anfang der städtischen Verwaltung bis auf die Gegenwart“ aus dem Jahr 1916; hier steht folgendes über ihn:
„Friedrich Honigberger tritt am 24. September 1828 als Honorarius beim Divisorat ein, dann in Besoldung als Pupillen-Amts-Aktuar vom 1. Juni 1833 bis 1840, Gerichtssekretär 1841 bis 1844, Senator 1845 bis 31. April 1859, pensioniert.“
Ein Cousin 2. Grades war Johann Martin Honigberger (1795-1869), der berühmte Leibarzt des Königs von Indien, beerdigt auf dem Innerstädtischen Friedhof in der Gruft C9a. In der Kronstädter Zeitung vom 08. Januar des Jahres erschien dann die Anzeige seines Testaments:
„Das Testament des Herrn Senators Friedrich Honigberger
Senator Friedrich Honigberger, dessen unerwartet plötzliches Ableben in der gestrigen Nummer dieser Zeitung mitgeteilt worden, hat sich als treuer sächsischer Bürger seiner Vaterstadt ein unvergängliches Denkmal durch sein am 26. April 1876 verfasstes Testament errichtet, welches gleichzeitig das rege Interesse des vieljährigen eifrigen Förderers unserer evang.-lutherischen Schul- und Kirchenangelegenheiten in glänzender Weise manifestiert, welches daher seinem Hauptinhalte nach in den weitesten Kreisen bekannt zu werden verdient. Der Testator setzt zum Universal-Erben seines Vermögens, insbesondere seines auf der Postwiese gelegenen Gartens und seines Hauses in der inneren Stadt, Klostergasse Nr. 570, die hiesige evang.-luth. Kirchengemeinde der inneren Stadt mit der Bestimmung ein, dass der Garten zur Benützung der jeweiligen Presbyterialmitglieder zu dienen hat, während der Reinertrag des Hauses unter die Professoren des hiesigen evang. Ober-Gymnasiums und Seminars, als Ajutum bis zur zeitgemäßen Regelung und Aufbesserung erfolgt sein wird, soll von dem Hauserträgnis ein jährlicher Betrag von 400 fl. ö.W. an einen mit guten Schulzeugnissen versehenen, aber aus einer der Ortschaften des Burzenlandes, sobald derselbe nach Kronstadt absolvierten Studien die Höhern Bildungsanstalten als Studierender der Rechte, der Theologie, der Medizin oder Technik bezieht, abwechselnd durch je fünf Jahre, und zwar mit genauer Einhaltung dieser Reihenfolge, – gleichviel ob derselbe seine höhern Studien auch vor Ablauf der fünfjährigen Zeitdauer schon vollendet haben sollte, – als Stipendium erteilt werden, der aus dem Hauserträgnis nach Abzug dieses Stipendiums sich ergebende Überschuss fällt dem evang. Schulbaufonde zu … Ein braver Mann in des Wortes schönster Bedeutung sinkt in dem Verstorbenen in die Grube. – Ehre sei seinem Andenken.“
Aus: Kronstädter Zeitung, 8. 1. 1877
Dieses Testament hat seiner Familie vermutlich keine große Freude bereitet und ist wohl auch der Grund dafür, dass keine Gedenktafel an seiner Grabstelle zu finden ist. Weder in der aktuellen Friedhofs-Kartei noch an den Grüften gibt es einen Hinweis darauf, wo dieser Stifter der Honterusgemeinde bestattet sein könnte. An anderen Grüften gibt es Tafeln, die auf ähnliche Stiftungen hinweisen. Erst nach langem Suchen in den alten Friedhofsmatrikeln konnte ermittelt werden, dass er in der Gruft B20 beerdigt wurde.
Der Garten oberhalb der Postwiese hat im Laufe der Jahre den Namen Presbyterialgarten erhalten. In diesem Garten stand auch ein Lusthaus. In dieser Laube hat Maximilian Moltke 1846 das Siebenbürgenlied gedichtet. Dort wurde auf Anregung vom Lehrer Fritz Reimesch 1898 ein Moltke-Gedenkzimmer eingerichtet. Der Sohn des Dichters, Siegfried Moltke, hatte zu diesem Zweck Gegenstände, Schriften und Bilder gestiftet. Der Garten wurde 2004 von der Honterusgemeinde gewinnbringend verkauft und der Erlös war zur Renovierung des heutigen Amtsgebäudes der Honterusgemeinde Marktplatz 17, das „Blaue Haus“ bestimmt. Vom Moltkehaus war zu dieser Zeit bereits außer einem Rest des Fundaments nichts mehr zu sehen.
Die Erklärung betreffend das Haus Klostergasse Nr. 570 finden wir im Band Nr. 12 „Das Gesundheitswesen in Kronstadt in den Jahren 1897 und 1898“ von Dr. Eduard Gusbeth. Hier der stark gekürzte Text:
„In der Klostergasse wurde vom Papierfabrikanten Martin Copony das stockhohe Eckhaus Nr. 22 mit dem oberhalb angrenzenden ebenso hohen Hause Nr. 20, welche beiden Häuser früher sehr baufällig waren … zu einem Gebäude vereinigt. Mit diesen beiden alten Häusern hatte es folgende Bewandtnis – Martin Copony hatte das Eckhaus schon vor vielen Jahren vom Obersten Thielemann angekauft, das Haus Nr. 20 aber war vom Senator Friedrich Honigberger († im 70. Lebensjahre am 3. Januar 1877) der ev.-sächs. Gemeinde ohne jede Einschränkung vermacht und ist dann am 16. April 1898 von der ev.-sächs. Gemeindevertretung dem Copony für sein Angebot von 14.014 fl. überlassen worden….“
Aus: Eduard Gusbeth, Das Gesundheitswesen in Kronstadt in den Jahren 1897-1898
Der Verkauf dieses Hauses wird im „26. Bericht der ev. Stadtpfarrgemeinde A.B. in Kronstadt über die Jahre 1898 bis 1915“, im Kapitel „Veränderungen im Gemeindebesitz“ erwähnt. Der Verkaufspreis betrug 28.028 Kronen. Er hat während der Amtszeit des Stadtpfarrers Franz Obert stattgefunden.
Peter Simon
Gruft: ISGB20




Wer aufmerksam durch die Straßen der Inneren Stadt von Kronstadt wandelt, dem werden drei rote Marmortafeln auffallen, auf denen der gleiche Text steht: „Stiftungshaus des Friedrich Ridely, geboren 5. Januar 1835, gestorben 6. Mai 1899“. Diese Tafeln befinden sich an den Häusern Obere Neugasse (str. Cerbului, heute Kindergarten) Nr. 23; Roßmarkt (str. Gheorghe Barițiu) Nr. 2 und Purzengasse (str. Republicii) Nr. 52. Alle drei Gebäude sind Eigentum der Honterusgemeinde. So erscheint es wohl angebracht, dass die Mitglieder der Honterusgemeinde über den Stifter dieser Häuser einiges erfahren.
Friedrich Ridely wurde am 5. Januar 1835 in Kronstadt in der Oberen Neugasse Nr. 171 (heute Nr. 23) als Sohn des aus Mergeln stammenden Tuchmachers Daniel Ridely (1798 – 1872) und seiner Frau Anna Christina, geb. Stamm (1807 – 1883) geboren. Bis zum Jahre 1848 besuchte Friedrich Ridely das Honterusgymnasium und wurde dann zuerst Lehrling in der Werkstatt seines Vaters. Später arbeitete er als Handlungsgehilfe in dem Schnittwarengeschäft des Kronstädter Kaufmanns Friedrich Nussbächer am Roßmarkt Nr. 31 (heute Nr. 8), dessen Geschäftspartner er von 1858 – 1870 wurde. Am 3. Mai 1859 heiratete Friedrich Ridely als „Kaufmann und Handelsmann“ die achtzehnjährige Luise Friederike, eine Tochter des Wollwebermeisters Josef Gräf. Am 31. Januar 1860 wurde dem jungen Ehepaar eine Tochter geboren. Die junge Mutter erkrankte aber bald darauf und starb am 7. Dezember 1860; vier Monate später starb auch das kleine Mädchen. Dieser große Verlust traf Ridely so stark, daß er keine zweite Ehe mehr einging, sich aber sonst aktiv in das öffentliche Leben seiner Vaterstadt einbrachte. So wurde er Mitglied des 1861 gegründeten Kronstädter Sächsischen Turnvereins und später auch anderer Vereine.
Ab 1870 wurde er Oberbuchhalter der 1868 gegründeten „Ersten Siebenbürgischen Bank in Kronstadt“ und blieb es bis zum Jahre 1882, als er „Privatier“ wurde. Nachdem sein Vater im Jahre 1872 gestorben war, erwarb Friedrich Ridely das Haus Roßmarkt Nr. 2 und nach einigen Jahren ein weiteres Haus Purzengasse Nr. 52, das er in den Jahren 1878 – 1879 durch den Stadtingenieur Peter Bartesch (1842 – 1914), der auch den Altar der Schwarzen Kirche und das Chorgestühl entworfen hatte, ganz neu errichten ließ. Im Jahre 1873 wurde Friedrich Ridely Mitglied des neugegründeten Siebenbürgischen Alpenvereins zu Kronstadt, der im Jahre 1880 geschlossen dem Siebenbürgischen Karpatenverein beitrat, wobei Ridely eines der Gründungsmitglieder war. Als im Jahre 1877 in Kronstadt die Freimaurerloge „Zu den drei Säulen“ gegründet wurde, wurde er dort aufgenommen und blieb bis an sein Lebensende der Kassier dieser Vereinigung. Er stellte sein Haus in der Oberen Neugasse für die Versammlungen der Freimaurer zur Verfügung und verlieh ihnen dafür auch nach seinem Tode Nutzungsrecht. Bei Friedrich Ridely und manchen seiner Zeitgenossen stand das Freimaurertum in keinem Gegensatz zum sächsischen Volkstum und zum evangelischen Glauben.
Als im Jahre 1881 Franz Obert (1828 – 1908) neuer evangelischer Stadtpfarrer von Kronstadt wurde, schloss sich Ridely ihm an und wurde sein freiwilliger Privatsekretär. Seit 1877 war Friedrich Ridely auch Mitglied des Presbyteriums der Honterusgemeinde und seine Tätigkeit in dieser Eigenschaft ist aus den Presbyterialprotokollen ersichtlich. Als dann 1882 auf Anregung von Franz Obert der Verein zur Unterstützung eines Erziehungshauses für unbemittelte sächsische Schüler in Kronstadt gegründet wurde, war Ridely bis zu seinem Tode auch Kassier dieses Vereines. Ebenso wirkte er als Kassier des Vereins für die Errichtung des Honterus-Denkmals und erhielt nach dessen Einweihung im Jahre 1898 einen Ehrenbecher mit der Widmung „Dem treuen Hüter des Schatzes, aus dem die Denkmalskosten bestritten wurden“. Ridely wurde auch Mitbegründer des im Jahre 1884 gegründeten Kronstädter Sträflings-Unterstützungsvereins.
Neben seiner öffentlichen Tätigkeit war Friedrich Ridely im Privatleben auch ein großer Kronstädter Sammler. Er sammelte sowohl ausgestopfte Vögel als auch Mineralien, Bilder, Bücher, Fotografien zeitgenössischer Männer und Frauen aus Kronstadt, Postkarten und Briefmarken. Schon im Jahre 1880 erschien ein erster gedruckter Katalog mit dem Titel „Friedrich Ridelys Sammlung ausgestopfter Vögel“ und in den Stadtführern aus den Jahren 1886 und 1898 wird diese Vogelsammlung als Kronstädter Sehenswürdigkeit erwähnt. Sein großes Fotoalbum schenkte Ridely 1891 dem Museum des Kronstädter Gymnasiums; heute befindet es sich im Archiv der Honterusgemeinde.
Die Krönung seines Lebens stellt jedoch sein Testament dar, das er am 8. März 1888 verfasste und am 25. April 1899 – wenige Tage vor seinem Tod – mit einem „Kodizill“ (d. h. Nachtrag) versah, das vor allem die Vermietung des rechten Teils seines Hauses in der Oberen Neugasse an die Freimaurerloge betrifft. Das Testament beginnt mit den Worten:
„Zum Universalerben bezüglich meines ganzen Vermögens setze ich hiermit die (der siebenbürgisch-sächsischen Nationalität angehörige) Kronstädter evangelisch-lutherische Kirchengemeinde der Inneren Stadt und zwar unter folgenden Bedingungen ein …“.
Die Bedingungen sind im Wesentlichen, dass das hinterlassene Vermögen in seinem Haupt- oder Kapitalsstamme niemals angegriffen oder vermindert werden solle, insbesondere sollten die Realitäten (d. h. Liegenschaften) niemals veräußert werden. Das für die Kirchengemeinde bestimmte Vermögen sollte für alle Zeiten als selbständige Stiftung unter dem Namen „Friedrich-Ridely-Stiftung“ verwaltet werden. Als erste zu unterstützende Anstalt wird das Alumnat oder Erziehungshaus für arme evangelisch-sächsische Knaben genannt. Weitere Legate waren bestimmt für die Freimaurerloge, den Feuerwehrverein, den Gewerbeverein, den Gustav-Adolf-Verein und den Evangelischen Kirchenmusikverein. Dem Museum des Honterusgymnasiums vermachte Ridely mehrere Bilder, Krüge und Schüsseln aus Eisen, Zinn, Ton und Glas, sämtliche Münzen und Medaillen u. a. Besonders reich wurde die „Innerstädtische evangelisch-sächsische Mädchenschule“ bedacht. Sie erhielt die reiche ornithologische Sammlung (545 Stück), des weiteren Säugetiere, Vogeleier und andere Gegenstände aus dem Tierreich, Gesteine und Mineralien, mehr als dreihundert Bücher, die beiden Postkartenalben und Bilder. Die Verzeichnisse dieser Gegenstände wurden in dem Programm der Kronstädter evangelischen Mädchenschule Nr. 16 – 1899/1900 und Nr. 17 – 1900/1901 veröffentlicht. Weitere Schenkungen erhielten der evangelisch-sächsische Schulkinderbekleidungs-Verein, der evangelische Schulfondverein und der sächsische Schützenverein.
Mit dem 1. September 1901 trat die Ridely-Stiftung in Wirksamkeit. Schon vorher waren aus ihren Mitteln die beiden an das Alumnat angrenzenden Häuser am Breiten Bach gekauft (heute Paul-Richter-Straße Nr. 5) und das Erziehungshaus war als „Honterushaus“ benannt worden, wie die Marmortafel über dem Haustor seit 1899 bezeugt.
Im Jahre 1924 wurde die Friedrich-Ridely-Stiftung der neuen rumänischen Gesetzgebung entsprechend am Kronstädter Gerichtshof in das Register der Stiftungen eingetragen. Es gäbe noch manches über diesen verdienstvollen Mann und die Segnungen seiner Stiftung zu berichten, dessen Grab auf dem evangelischen Innnerstädtischen Friedhof liegt. Auch mehr als hundert Jahre nach seinem großzügigen Vermächtnis ist sein Andenken wert, gewürdigt zu werden.
Gernot Nussbächer


Nachwort
110 Jahre nach Friedrich Ridelys Tod hatte unser fleißiger Historiker Gernot Nussbächer einen Nachruf verfasst und in der Neuen Kronstädter Zeitung veröffentlicht. Gernot Nussbächer hatte eine besondere Beziehung zu Friedrich Ridely. Der Schnittwarenhändler Friedrich Nussbächer, bei dem Ridely in die Lehre ging, Rossmarkt Nr. 8, war ein Ururgroßvater Gernots. Dessen Sohn Viktor Nussbächer war der Hausarzt von Friedrich Ridely und pflegte ihn aufopferungsvoll bis zu seinem Tod. Die Predigt an seinem Grab hat der Stadtprediger Carl Friedrich Nussbächer, Gernots Urgroßonkel, ein Neffe des Händlers, gehalten. Der Stadtpfarrer Franz Obert, Gernots Urgroßvater, hat auch ein Abschiedswort an Ridelys Grab gesprochen.
Was Gernot Nussbächer in seinem Nachruf vergessen hatte, ist, zu erwähnen, dass der sogenannte „Ridelygarten“ auch zum Nachlass Ridelys, der der Honterusgemeinde zugutekam, gehört. Der „Ridelygarten“ ist der westliche Teil des Raupenberges, der ungefähr zur gleichen Zeit wie der Presbyterialgarten (das ist der östliche Teil des Raupenberges und Nachlass von Friedrich Honigberger), verkauft wurde. Der Erlös wurde zur Renovierung des blauen Hauses verwendet.
Ebenfalls zu Ridelys Nachlass gehören drei Wohnungen im Haus Marktplatz 21. Man kann sagen, dass er der größte Erblasser für die Honterusgemeinde war. An seinem Grab gibt es keinen Hinweis des Dankes dafür, nur die drei roten Marmortafeln an den Häusern sprechen von seinem Nachlass.
Peter Simon
Grabstelle: ISlVIIG13
Eine der markantesten Persönlichkeiten innerhalb der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft des alten Kronstadt war Albert Schuller. Sein Wirken in der Heimatstadt deckt sich fast genau mit den Grenzen der ersten Jahrhunderthälfte. Im Jahre 1903 kehrte er vom Studium in die Heimat zurück. Mit seinen hervorragenden Prüfungsergebnissen an der Baugewerbefachschule in Budapest und an der Technischen Hochschule in München hätte er draußen, in der weiten Welt, eine viel einträglichere berufliche Tätigkeit entfalten können als in der Stadt an der damaligen Landesgrenze am Karpatensaum.
Er starb am 27. Oktober 1948. Der Abend eines hellen, unter glücklicher Entfaltung reicher geistiger und künstlerischer Fähigkeiten zur Gänze gelebten Daseins war getrübt durch die Auswüchse der dreißiger Jahre, durch den Verlust eines Sohnes und den schweren Arbeitsunfall eines anderen Sohnes, beides Folgen des Krieges.
Im öffentlichen Leben seiner Vaterstadt spielte Albert Schuller Jahrzehnte hindurch eine führende Rolle. Er gehörte zu den nicht allzu häufigen Menschen, denen mit großer geistiger Begabung auch körperliche Vitalität geschenkt wurde. Lebenswille und gesunder Optimismus spiegeln sich in der großen Familie, mit der er sich umgab. Fünf Söhne und zwei Töchter waren ihm zu einer Zeit geschenkt, als man vor allem bei den sächsischen Intellektuellen längst zum Zweikindersystem übergegangen war.
In wichtigen öffentlichen Angelegenheiten war sehr oft er es, der mit klarem Kopf und sicherer Hand aus dem zweiten Glied die Entscheidungen herbeiführte. Das hohe Verantwortungsbewusstsein für die Gesamtheit, das seiner Generation noch weitgehend eigen war, zeichnet ihn im besonderen Maße aus. Im persönlichen Verkehr und in froher Tafelrunde war er ein ideenreicher, oft humorvoll anregender Gesellschafter, souverän in seiner Loyalität. Stets war er mit Erfolg bestrebt, das geistige Niveau der Aussprache zu heben und nicht in die Trivialität des Alltags sinken zu lassen.
Die Maler Friedrich Mieß, Arthur Coulin, Hans Eder, Fritz Kimm, der Schriftsteller Erwin Wittstock oder der Komponist und Dirigent Paul Richter suchten in diesem Kreis Anregung, fanden freundschaftliche Aufnahme und Förderung.
In der Zeit um die Jahrhundertwende bemühte sich eine Reihe von jungen Männern, in die stickige Provinzatmosphäre des siebenbürgisch-deutschen Bürgertums einen frischen Zug zu bringen, allen voran Adolf Meschendörfer. Rückständigkeiten von Jahren und Jahrzehnten mussten aufgeholt werden. Bemerkenswert aber ist, dass das gerade für die Baukunst zunächst nicht zutraf.
Die erste Phase der Baukunst des neuen Jahrhunderts erscheint als Jugendstil: Betonung der stark stilisierten pflanzlichen und abstrakten Ornamente kennzeichnen ihn. Schon im ersten Jahrzehnt aber wenden sich die bedeutendsten Vertreter des Jugendstils von ihm ab und werden Wortführer einer neuen Sachlichkeit im Bauen und Gestalten.
Im südlichen Siebenbürgen war Albert Schuller der Bahnbrecher der neuen fortschrittlichen Baugesinnung. Sein künstlerischer Geschmack und sein Fachwissen sind auf der Höhe der Zeit. In seinen früheren Bauten, z. B. dem Hause in der Katharinengasse (str. Constantin Brâncoveanu) Nr. 25, im Gebäude der Burzenländer Bank auf der Purzengasse (str. Republicii) und dem Hotel Krone, sind Elemente des Jugendstils deutlich erkennbar. Schon früh ordnet sich aber bei Schuller das Dekorative dem Konstruktiven unter. Der Baukörper erhält durch gutausgewogene Gliederung und durch die Linie und Form der Dächer lebendige Bewegtheit. Stets werden die örtliche Tradition und die Umgebung im Auge behalten.
Mit dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Jugendstil überholt. Das Zeitalter der funktionsgerechten Architektur des XX. Jahrhunderts hatte begonnen. Sie lehnte jede Anknüpfung an historische Stile ab und bevorzugte klare, kubische Formen mit großen Fensterfronten.
Schuller geht mit der Zeit, ohne seine eigene Art je zu verleugnen. Er baut am Ende der zwanziger Jahre auch moderne Industrieanlagen, darunter bei glücklicher Ausgewogenheit der Baukörper die Werkanlage der Firma Nivea. Er erfüllt die schwierige Aufgabe, einen modernen Kindergarten zwischen zwei historische Stadttore zu stellen. Auch das heute in ganz Europa so aktuelle Problem der Sanierung und Modernisierung von Altstadthäusern findet bei Schuller vorbildliche Lösungen (Treppenanlage und Wintergarten im Hause Waisenhausgasse (str. Poarta Șchei) Nr. 25. Mit dem seinerzeit so glücklich gelösten Problem des Hotelbaues neuerlich konfrontiert, gestaltet er mit feinem Einfühlungsvermögen das Höhenheim in der Schulerau in die umgebende Natur. Er bereichert schließlich das Stadtbild unserer Stadt, angeregt durch die gleichen klimatischen Bedingungen, mit einem neuen Landhaustyp nach dem Vorbild der alpenländischen Bergbauernhäuser in Tirol und Bayern: mächtiges, weitvorspringendes Satteldach, lange Balkone, gediegene Ausführung, alles klar und blitzsauber (z. B. das Haus După lniște Nr. 12).
Besonders kennzeichnend ist für Albert Schulter darüber hinaus, dass zu seiner künstlerischen Begabung ein ausgeprägtes Interesse und Talent für technische Fragen tritt. Er berechnete selbst die kompliziertesten Stahlbetonkonstruktionen für seine Projekte, obwohl diese während seiner Studienzeit noch nicht gelehrt wurden. In diesen Zusammenhang gehört auch die Sicherung des schwer bedrohten Chores der Schwarzen Kirche durch ein sehr klug erdachtes und projektiertes gelenkiges Kettenpolygon (1925), das, durch die schweren Erdbeben von 1940 und 1977 auf die Probe gestellt, diese glänzend bestand. 1937 bis 1943, während der vorletzten Restaurierungsperiode der Schwarzen Kirche, war Albert Schuller als Obmann des Bauzuschusses tätig.
So rundet sich das Bild eines nach vielen Richtungen begabten und tätigen Mannes, dem alle, die ihn kannten, ein ehrendes Andenken bewahren. Als Architekt aber ist ihm ein Platz in der Baugeschichte der Stadt am Fuße der Zinne für alle Zeiten gesichert.
Dr. Otmar Richter
Aus: Karpatenrundschau Nr. 52 – 30. 12. 1977


Nachwort
Albert, der Vater, und Günther Schuller, der Sohn, beide Architekten, liegen gemeinsam in einem Grab auf dem Martinsberger Friedhof. Beide Männer haben für die Honterusgemeinde und für ganz Kronstadt eine herausragende Rolle gespielt. In seinem Buch „Kronstadt – Kaleidoskop einer Stadt im Südosten“ schreibt Günther Schuller über die „Donnerstagabend“-Treffen im Extrazimmer des Hotelrestaurants „Krone“:
„Die ungeschriebene Führung jenes Kreises lag in den Händen des Architekten Albert Schuller, der durch geschickt in die Debatte geworfene Themen und durch scheinbaren Widerspruch immer wieder dafür sorgte, dass die Gespräche nicht in gewöhnlichen Zonen abliefen, dass sich der Gedankenflug um geistige Nöte der deutschen einheimischen Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft bewegte und wie man wieder mal Schwung hineinbringen könnte. Die Wahlen in die verschiedenen Körperschaften bekamen neuen Sinn unter seiner Devise »Nicht mehr Beziehung und Verwandtschaft, sondern die Leistung allein hat zu entscheiden«“.
So lässt sich sagen, dass Albert Schuller in einem dieser „Donnerstagabend“-Treffen in der „Krone“ zum moralischen Urheber der Heizung der Schwarzen Kirche wurde, wenn auch das Geld dafür von dem Fabrikanten Samuel Schiel kam. Später hat dann sein Sohn Günther die Betreuung der Renovierungsaktionen an der Schwarzen Kirche übernommen und bis in die letzten Jahre seines Lebens als Presbyter, wie auch sein Vater, gepflegt.
Zum hundertsten Geburtstag von Albert Schuller verfasste Dr. Otmar Richter den obigen Beitrag über dessen Leben. Das hier beigefügte Porträtbild von Albert Schuller ist ein Foto von Oskar Netoliczka (1897 – 1970) aus der Sammlung Konrad Klein.
Peter Simon
Grabstelle: MB56
Der Kronstädter Architekt Günther Schuller wurde am 10. Oktober 1904 als ältester Sohn des Architekten Albert Schuller (1877 – 1948) geboren. Er besuchte das Honterusgymnasium in Kronstadt und von 1923 bis 1929 studierte er an der Technischen Hochschule in München. Anschließend war er in Kronstadt im Projektierungsbüro seines Vaters tätig. In den Jahren 1941 – 1944 nahm er am Weltkrieg teil und war von 1945 bis 1948 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Dort verlor er durch einen Arbeitsunfall den rechten Arm.
Nach seiner Heimkehr lernte er mit eisernem Willen und aus Liebe zu seinem Beruf mit dem linken Arm zu arbeiten und konnte so weiter als Architekt wirken. In den Jahren 1948 – 1962 war er Baustellenleiter, u. a. bei der Restaurierung des alten „Generalsquartiers“ am Marktplatz (1956 – 1958) und des „Kaufhauses“ (1961 – 1962), Danach war Architekt Günther Schuller von 1963 bis 1968 Abteilungsleiter bei der Direktion für Systematisierung, Architektur und Projektierung von Bauten.
In den Jahren 1969 – 1970 war Günther Schuller Baustellenleiter bei den durch den Stadtvolksrat durchgeführten Restaurierungen von Baudenkmälern. Seit dem Jahre 1970 war er hauptsächlich an der Restaurierung der Schwarzen Kirche beteiligt, leitete aber auch die Restaurierung des Katharinentors (1971 – 1974), des Weißen Turms (1974 – 1975), der Graftbastei (1976) sowie von anderen Abschnitten der mittelalterlichen Befestigungen von Kronstadt.
Nach dem Erdbeben vom 4. März 1977 widmete sich Günther Schuller der Behebung der dadurch verursachten Schäden vor allem an Baudenkmälern in Kronstadt (altes Rathaus) und Umgebung (die Kirchen in Rothbach und Brenndorf).
Im Jahre 1983 verlieh die Hamburger Freiherr vom Stein-Stiftung den Herderpreis an Günther Schuller. In der Laudatio heißt es:
„So widmete er sich, ausgestattet mit profunder Kenntnis der Baugeschichte und handwerklicher Techniken wie auch mit künstlerischer Begabung, der Erhaltung und Erneuerung zahlreicher Baudenkmäler Kronstadts. Es handelte sich hierbei sowohl um Profan- als auch um Sakralbauten, aber auch um Straßen- und Platzräume als wichtige Gestaltungselemente des Städtebaus. Seine jahrzehntelange beharrliche Arbeit, einvernehmlich mit dem Stadtarchitekten von Kronstadt betrieben, fand im Laufe der Zeit zunehmend Unterstützung und Förderung durch die Direktion für Denkmalpflege in Bukarest und damit auch verdiente öffentliche Anerkennung in seiner Heimat. Mit der Auszeichnung des Herrn Schuller durch den Herderpreis bezeugen wir unsere Hochachtung vor der menschlichen und fachlichen Leistung, die er in mannigfacher Weise als Architekt in Kronstadt erbracht hat.“
In vielen Lichtbildvorträgen und Presseartikeln hat Architekt Günther Schuller die öffentliche Meinung zugunsten der gefährdeten Baudenkmäler zu beeinflussen versucht, was ihm in vielen Fällen auch gelang.
Nach der Wende von 1989 war Günther Schuller der Initiator der Gründung des Verbandes der Russlanddeportierten im Kreis Kronstadt. Ebenso erreichte er als Mitglied der städtischen Kommission für Straßenbenennungen, das 1991 in 14 Fällen die Straßen die Namen von verdienstvollen deutschen Persönlichkeiten erhielten, wie z. B. Johannes-Honterus-Hof, Stephan-Ludwig-Roth-Gasse, Paul-Richter-Gasse, Johann-Benkner-Gasse, Valentin-Wagner-Gasse, Michael-Weiß-Gasse oder Apollonia-Hirscher-Gasse.
Nicht unerwähnt sei die künstlerische Tätigkeit von Günther Schuller als Maler. Im Jahre 1970 schuf er ein gelungenes Bild des mittelalterlichen Kronstadts, das als Postkarte in Tausenden von Exemplaren verkauft wurde. Der Erlös wurde für die Restaurierung der Schwarzen Kirche verwendet. Weiter verdanken wir ihm Bilder der Schwarzen Kirche, des Schlosses am Kronstädter Schlossberg sowie eine Rekonstruktion der Braschovia-Burg auf der Zinne.
In den letzten Jahren seines Lebens sammelte Günther Schuller Material für ein Werk mit dem Titel „Kronstadt. Kaleidoskop einer Stadt im Südosten 1211 – 1988“. Es enthält zahlreiche Aufsätze von ihm selbst und von anderen Verfassern über die Schwarze Kirche und über andere Kronstädter Baudenkmäler und ihre Geschichte sowie ihre Restaurierungen, über Kronstädter Persönlichkeiten und auch autobiographisches Material, da Günther Schuller jahrzehntelang vielseitig sehr aktiv war. Das Buch ist ein schönes Zeugnis der Heimatliebe und -verbundenheit von Günther Schuller.
Leider hat er das Erscheinen des Bandes nicht mehr erlebt, da er an den Spätfolgen eines Sturzes am 14. Juli 1995 starb. Der Band wurde im Jahre 1998 in Hermannstadt gedruckt und soll wegen seines hohen dokumentarischen Wertes für die Geschichte von Kronstadt auch ins Rumänische übersetzt werden.
Gernot Nussbächer


Nachwort
Albert, der Vater, und Günther Schuller, der Sohn, beide Architekten, liegen gemeinsam in einem Grab auf dem Martinsberger Friedhof. Beide Männer haben für die Honterusgemeinde und für ganz Kronstadt eine herausragende Rolle gespielt.
Zum hundertsten Geburtstag von Günther Schuller schrieb Gernot Nussbächer für die Ostdeutschen Gedenktage einen schönen Beitrag über dessen Leben. Das Foto stammt von Konrad Klein.
Peter Simon
Grabstelle: MB56
„Der am 11. Dezember 1896 verstorbene, gewesene Redakteur unseres Blattes, Franz Stenner, hat seiner treuen Liebe zu seinem Volke dadurch ein ehrendes Denkmal gesetzt, dass er der Kronstädter ev.-sächs. Innerstädtischen Kirchengemeinde zur seinerzeitigen freien, unbeschränkten Verfügung das in der Schwarzgasse gelegene „Honterushaus“ und 10.000 fl. ö. W. als Legat hinterlassen hat. … Das Andenken Franz Stenners wird unter uns ein gesegnetes bleiben, er ist in die Reihe der Wohltäter unserer Kirchengemeinde eingetreten. Have pia anima!”
Das konnten die Zeitgenossen am 11. Dezember 1896 in der Kronstädter Zeitung lesen. Franz Stenner war Redakteur dieser Zeitung, und die sehr kurz gefasste Todesanzeige und auch das Ausbleiben eines ausführlicheren Nachrufes in der gleichen Zeitung mögen verwundern. Der Grund dafür ist wohl die Tatsache, dass er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hatte. So ist über sein kurzes Leben wenig bekannt. Die wenigen Lebensdaten entnehmen wir Eduard Gusbeths Tagebuch. Franz Stenner ist am 29. November 1854 geboren worden, als einziges überlebendes Kind seiner Eltern, des Wollwebers Christian Gottlieb Stenner und dessen Frau Johanna Juliana geb. Stenner, nachdem sieben vorangegangene Kinder das erste Jahr nicht überlebt hatten. Der Vater, „Honterus-Stenner“ genannt, hatte an der einstigen Geburtsstätte unseres großen Reformators ein neues Haus gebaut (heute Schwarzgasse Nr. 40), welches der Verstorbene der Honterusgemeinde hinterlassen hat.
Ein begonnenes Medizinstudium hat Franz Stenner nicht vollendet. So übernahm er nach einigen Jahren von Johann Gött, nach der Wahl des alten Redakteurs Josef Filtsch zum Reichstagsabgeordneten, die Redaktion der Kronstädter Zeitung. Im Jahre 1887 heiratete er Ernestine Neustädter, die Tochter des Gaswerksdirektors Friedrich Neustädter. Friedrich Neustädter war der Großvater des Dichters Erwin Neustädter. Stenners Ehe blieb kinderlos.
In seinem Werk Im Glanz der Abendsonne – Wie ich wurde was ich bin schreibt Erwin Neustädter:
„Man konnte aus dem Gassenzimmer der Großeltern (sie wohnten in der Burggasse Nr. 118, genau gegenüber dem Honterushaus) über die Gasse und Gartenmauer hinweg, sowohl in das Gärtchen (heute bebaut) als auch in den Hinterhof des Honterushauses schauen und an diesem links vorbei, wo die Lücke des Kniegässchens (heute verbaut) in der Häuserreihe klaffte, bis in die Schwarzgasse zum Laden des Brotbäckers Ross. Es geschah ab und zu, dass Erni-Tante, welche die gartenwärts gelegenen Gemächer ihres Elternhauses bewohnte und sich nur selten vorne oder gar im Haushalt blicken ließ, einen riesigen Strohhut aufsetzte, einiges Gartenwerkzeug und ihre leise knisternden Röcke zusammenraffte, mich huldvollst heranwinkte und mitnahm, um im Gärtchen des „Reformators“ nach dem Rechten zu sehen“.
Dies waren Kindheitserinnerungen Erwin Neustädters, erlebt in einem Alter von höchstens 10 Jahren.
Das nächstfolgende Haus Burggasse Nr. 120 ist das Geburtshaus des Kronstädter Historikers Gernot Nussbächer und drei Häuser weiter hinunter, Nr. 126, hat Gernot Nussbächer im Hause seiner mütterlichen Großeltern die ersten zwanzig Jahre seines Lebens verbracht. Im Jahre 1893 verschlechterte sich der Gesundheitszustand (progressive Paralyse) Stenners sehr stark, was dazu führte, dass er seinem Leben im 42. Lebensjahr ein Ende setzte. Sein Testament hatte er schon 1890 verfasst. Weder am gestifteten Haus noch am Grab gibt es einen Hinweis auf seine edle Stiftung.
Peter Simon
Grabstelle: ISrIIG5


Johann Gottlieb Tartler wurde am 1. April 1794 in Kronstadt als siebentes Kind der altsächsischen Familie des Fassbinders Petrus Tartler und der Sara Bachner geboren. Seine Werkstadt hatte der Vater in dem Haus, das später zum Tartler’schen Waisenhaus wurde und heute ein Gebäude der Honterusschule ist.
Johann Tartler besuchte das evangelische Gymnasium in Kronstadt und anschließend die königliche Rechtsakademie in Klausenburg. Seine erste Anstellung war ab 1818 die eines unbesoldeten Kanzlisten bei dem königlichen Gubernium, das ebenfalls in Klausenburg residierte. Es zog ihn aber nach Kronstadt zurück, so dass er 1820 bei dem Kronstädter Magistrat zuerst als unbesoldeter Sekretär und dann in den verschiedenen Abteilungen der städtischen Verwaltung, als Kommunitäts-Aktuar und später als Verwalter der Stadtkasse, ein Amt, welches nur sehr verlässlichen Männern anvertraut wurde, angestellt war.
1826 heiratete er Wilhelmine von Schobeln, mit der er 42 Jahre lang eine glückliche Ehe führte, getrübt nur durch den zu frühen Tod der einzigen Tochter, die vierzehnjährig starb.
Im Jahre 1836 wurde er zum Senator – d. h. Stadtrat – gewählt, ein Amt, das er sechzehn Jahre lang neben anderen Ämtern bekleidete. 1852 trat er freiwillig aus diesem Amt aus, um sich ungehindert um sein durch Fleiß und Sparsamkeit erworbenes Vermögen kümmern zu können.
Nachdem 1868 seine Frau starb, lebte er als Witwer zurückgezogen und einsam, bis er im 82. Lebensjahr, im Jahr 1875, ebenfalls starb. Sein Testament hatte er schon 1870 verfasst und beim Gericht hinterlegt. Es sieht vor, dass sein Haus zum Tartler’schen Waisenhaus für sächsische Waisen werden soll. Das Presbyterium der Honterusgemeinde wurde beauftragt, seinen letzten Willen durchzuführen. Vollstrecker des Testaments war der Rechtsanwalt Eugen von Trauschenfels.
Zwei Jahre später, 1877, fand die feierliche Einweihung des Waisenhauses in Gegenwart des Presbyteriums und der ersten zwölf Waisen statt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die rote Marmortafel angebracht, die heute noch an dem Hause zu sehen ist.
In den bis 1930 gedruckten Presbyterialberichten sowie in den Presbyterialprotollen bis zum Jahr 1955, die im historischen Archiv der Kirchengemeinde aufbewahrt werden, findet sich Aufschluss über den gesamten Prozess der Gründung und Verwaltung des Waisenhauses. Zwar wurde ein Antrag auf Rückerstattung des verstaatlichten Gebäudes gestellt, jedoch wurde diesem nicht stattgegeben. An der Gruft des Johann Tartler auf dem Innerstädtischen Friedhof erinnert eine Tafel an den edlen Spender.
Abschließend noch die ganz private Ansicht des Dr. Eduard Gusbeth aus seinem Tagebuch:
„Soeben komme ich vom Leichenzuge des am 2. September – Jahrestag von Sedan, leider ohne jegliche Feier von unserer Seite vorgegangen – verstorbenen, emeritierten Senators Tartler, einer der wichtigsten Bürger von Kronstadt. Sein Vermächtnis hatte mich bestimmt, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Sein Testament war vernünftiger, als Viele, unter denen auch ich, ihm zugetraut hatten. Für die Waisen von evangelisch sächsischen Eltern hat er die Summe von 60,000 Gulden bestimmt; außerdem sein Haus in der Heiligleichnams-Gasse, ferner seinen Bienengarten.
Aber nicht nur die Unmündigen hat er bedacht; auch die Erwachsenen armen Teufel lagen ihm am Herzen: – ich meine, mittellose studierende Jünglinge. Aber auch in dieser Beziehung war der alte Herr Tartler wieder Freund seines Volkes und nicht verschwommener Cosmopolit. Er hat nämlich Stipendien in der Höhe von 37,000 Gulden für evangelisch sächsische Studierende der Medicin und der Jurisprudenz hinterlassen.“
Peter Simon
Gruft: ISGC8b


Den Kronstädtern ist Heinrich Wachner durch sein Kronstädter Heimat- und Wanderbuch bekannt, käuflich zu erwerben in der Buchhandlung Wilhelm Hiemesch auf der Kornzeile Nr. 5.
Das war im Jahr 1934.
Heute kann man einen Nachdruck im Antiquariat & Verlag Aldus am Kirchhof erwerben. Allerdings hat Heinrich Wachner noch zahlreiche weitere geomorphologische und geologische Untersuchungen veröffentlicht. Als Geographie- und Naturkundelehrer hat er insgesamt dreizehn Lehrbücher verfasst.
Heinrich Wachner ist 1877 in Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș) geboren. Er studierte in Berlin, Marburg und Klausenburg Naturwissenschaften. Anlässlich Wachners 50. Todestag veröffentlichte Dr. Heinz Heltmann (1932-2021) in der Neuen Kronstädter Zeitung vom 18. Dezember 2010 einen Nachruf. Darin finden wir eine Darstellung von Wachners Werdegang als Forscherpersönlichkeit und Gymnasiallehrer in Hermannstadt, Bistritz und Schäßburg. Dr. Heltmann war selbst Naturforscher, so dass er besonders die wissenschaftliche Tätigkeit Wachners behandelte. Im vorliegenden Beitrag wollen wir uns auf seine Zeit in Kronstadt in den Jahren von 1919 bis 1952 beschränken und auch menschliche Aspekte berühren.
Als Lehrer am Honterusgymnasium war Wachner nämlich ein Original, was folgender Auszug aus der Festschrift der Absolventen des Jahrganges 1952-2002 belegt:
„Unter unseren Professoren gab es ja manch ein Original. Da war zum Beispiel in der Unterstufe unser Erdkundeprofessor Heinrich Wagner, Verfasser des »Kronstädter Heimat- und Wanderbuches«, genannt der Käs (da er immer wieder sagte »Wenn du auf einen Ausflug gehst, nimmst du dir Käs und ein Stück Brot mit!«). Er war ein hervorragender Kenner des Burzenlandes und seiner Umgebung, der Berge, Täler, Pflanzen- und Tierwelt dieses Gebiets, und er liebte die Natur über alles. Er ging schon morgens um 4 Uhr bis in die Schulerau und kam dann zum Unterrichtsbeginn mit einer Reihe von schönen geraden Haselnussstöcken zurück, welche zum Zeigen auf der Karte, aber auch zum Disziplinieren der Schüler dienten. Prof. Wachner war damals schon sehr alt, etwas schwerhörig und hatte eine unklare Aussprache, ungefähr wie jemand, der sehr stark verschnupft ist. So gab es dann in der Klasse ständig ein Geraune, wenn etwas nicht verstanden wurde und nicht nachgeschrieben werden konnte. Bemerkte er die Unruhe so hieß es immer wieder »Seid ruhig, seid ruhig, ihr Kerle, ihr kriegt Strafarbeit. Ich sage es nicht noch einmal, seid ruhig! « – das Ganze im auf und ab einer leicht singenden Stimme. Eines Tages nun wollte einer unserer Kollegen, der nicht gerade zu den aufmerksamsten Schülern zählte, beweisen, dass er sehr aufmerksam zuhöre und daher bekräftigte er durch Kopfnicken und Ja-Sagen oder Kopfschütteln und Nein-Sagen die jeweiligen Aussagen des Professors. Dieser sah sich die Sache eine Zeitlang an, doch dann langte er mit seiner 2 m langen Haselrute über mehrere Schüler hinweg zu und begleitete jedes seiner Worte mit einem Hieb »Was ja, ja? Nichts ja, ja! Was nein, nein? Nichts nein, nein! Ja! Ja! Nein! Nein!« – ja, und am Ende der Exekution hielt unser Professor nur noch ein kurzes Stäbchen in den Händen, während unser Kollege seine Hände, die er zum Schutz vorgehalten hatte, mit Striemen übersät sah. Da es in fast jeder Stunde zu Verwendungen beider Art für Haselruten kam, war es nicht zu verwundern, dass täglich neue benötigt wurden.“
Es folgt nun, leicht gekürzt, der Wachners Zeit in Kronstadt betreffende Teil aus Heltmanns Nachruf:
»Im Sommer 1919 wurde Wachner als Gymnasiallehrer für Geographie und Naturkunde an die Honterusschule berufen. Auch hier galt sein außerschulisches Interesse der Erforschung der vielfältigen Umgebung seines neuen Wohnortes und der herrlichen Gebirgswelt des Burzenlandes. Als ausgeprägte Forschernatur standen bei ihm Wandern und Forschen im Vordergrund seiner Tätigkeit. Zu seinen ersten Forschungsvorhaben gehörte die Fortsetzung seiner geographisch-geologischen Untersuchungen im nördlichen Teil des Geisterwaldes und im Bucegigebirge. Auf unzähligen Unterrichtswanderungen mit Schülern und wöchentlichen Studiengängen hatte er sich im Laufe der Jahre die Umgebung von Kronstadt und das Burzenland mit seiner Gebirgswelt erwandert, reichlich Datenmaterial und Forschungsbelege gesammelt und die Ergebnisse in seinen Notizheften schriftlich und zeichnerisch festgehalten. Ein Blick in das Verzeichnis seiner Veröffentlichungen bestätigt uns, dass Wachner im Zeitraum von 1920-1930 nicht nur im Burzenland forschend tätig war, sondern auch eine Reihe von Forschungsreisen in andere Gebiete Rumäniens unternahm und seine Forschungsergebnisse veröffentlichte. … Im November 1932 fand ein Kongress der Geographielehrer Rumäniens in Bukarest statt, an dem auch Prof. Wachner teilnahm und auf dem die Hochschulprofessoren G. Vâlsan und S. Mehedinți den Teilnehmern mitteilten, dass laut neuem Lehrplan im Geographieunterricht auf Heimatkunde ein besonderes Gewicht zu legen sei. Gleichzeitig riefen sie die Anwesenden auf, für diese Fach-Wanderführer zu verfassen. Daraufhin entschloss sich Wachner, sein seit 1919 im Burzenland gesammeltes Datenmaterial für die Erstellung eines Wanderführers als Lehrbuch für die Kronstädter und Burzenländer deutschen Schulen zu verwenden. Dieser Entschluss war die Geburtsstunde seines »Kronstädter Heimat-und Wanderbuches«, das er nach zweijähriger konsequenter Arbeit 1934 in Kronstadt veröffentlichte. Auf dem 1936 nachfolgenden Landeskongress der Geographielehrer Rumäniens wurde sein Lehrbuch von berufener Stelle als beste Gebietsmonographie Rumäniens bewertet. Bereits 1938 veröffentlichte er erste Ergänzungen und Berichtigungen zu seinem Wanderbuch als Beiträge zur Heimatkunde des Burzenlandes in den »Mitteilungen des Burzenländer Sächsischen Museums in Kronstadt«. 1994 erschien in Kronstadt im Aldus-Verlag der unveränderte Nachdruck von Wachners Wanderbuch. Hinzugefügt wurden dazu die 1938 vom Autor veröffentlichten ersten Ergänzungen und Berichtigungen zu seinem Buch und wichtige Hinweise zu diesem vom Gernot Nussbächer. Wünschenswert wäre auch die Hinzufügung von Wachners Ergänzungen und Berichtigungen aus seinem Handexemplar (1938-1953) in einem Anhang des Nachdruckes gewesen, um auch das zu veröffentlichen, was Wachner hinzuzufügen nicht mehr möglich war. Denn dieses Buch ist nicht nur sein größtes, sondern es war ihm auch sein liebstes Werk.
1946 trat Prof. Wachner im Alter von 69 Jahren in den Ruhestand. Auch danach setzte er seine wissenschaftliche Tätigkeit unvermindert fort. Zwischen 1902 und 1956 veröffentlichte er über 80 wissenschaftliche Arbeiten und populärwissenschaftliche Beiträge in Lexika und in verschiedenen Fachzeitschriften und Zeitungen. …
Am 3. Mai 1952 wurde Heinrich Wachner im Alter von 75 Jahren mit seiner Familie aus dem eigenen Hause in Kronstadt (Obere Sandgasse) nach Unter-Rakosch zwangsevakuiert. Hier mussten sie unter unmenschlichen Wohn- und Existenzbedingungen jahrelang ihr Leben fristen. Eine längere Zeit wurde Prof. Wachner seine Pension gestrichen. Um die Familie wenigstens halbwegs über Wasser zu halten, musste Frau Charlotte Wachner als Steinbrucharbeiterin im Basaltsteinbruch in Unter-Rakosch Schwerstarbeit leisten. Auch unter diesen sehr schlechten Lebensbedingungen setzte Wachner seine Geländeforschungen in der Umgebung seines neuen Wohnortes fort. 1955 erfolgte für die Familie Wachner endlich die Freistellung von ihrem Zwangsaufenthalt in Unter-Rakosch. Nachdem jedoch ihr Haus in Kronstadt immer noch von einem Securitate-Mann besetzt war und sie auch keine andere Wohnung in Kronstadt finden konnte, musste Familie Wachner weiterhin in Unter-Rakosch bleiben. … «
Wachners Arbeit über die von ihm in der Umgebung von Unter-Rakosch durchgeführten Geländeforschungen blieb unvollendet. 1958 zog Familie Wachner in das Sonnenheim in Wolkendorf um, wo Heinrich Wachner am 16 März 1960 starb. Er wurde in Kronstadt auf dem Innerstädtischen Friedhof in demselben Grab beigesetzt, in dem auch seine erste Frau, Herta geb. Schuller, 1952 begraben wurde. Mit ihr hatte er fünf Kinder und mit seiner zweiten Frau Charlotte geb. Klöckner drei weitere.
Neben den vielen wissenschaftlichen Arbeiten ist für die Kronstädter auch die Geschichte des Burzenlandes von Bedeutung. Dieses Manuskript ist vielleicht vor 1948 entstanden und hat glücklicherweise alle Umzüge und Umbrüche überlebt und konnte so durch seine Tochter Gertrud Wachner verh. Blücher 2007 beim Aldus-Verlag gedruckt werden. Es zeugt von großem Mut, diese Geschichte durch all die Jahre erhalten und gerettet zu haben, denn in die falschen Hände geratend hätte sie mit Sicherheit zu Wachners Verhaftung geführt.
Generationen von Honterusschülern haben ihn als beliebten Lehrer in guter Erinnerung behalten.
Peter Simon
Grabstelle: ISrII54



Nach Besuch des Honterusgymnasiums in Kronstadt studierte Eugen Weiss von 1902 bis 1906 Mathematik, Physik und Chemie in Breslau, Klausenburg, Berlin und Halle an der Saale. Ab 1910 war er als Lehrer vor allem am Kronstädter Honterusgymnasium tätig, wo er außer Mathematik, Physik und Chemie auch Astronomie und Biologie unterrichtete. Als besondere Leistung von Weiss gilt die 1912 erfolgte Einrichtung einer meteorologischen Station in seinem Garten, wo unter seiner Leitung über 40 Jahre lang Beobachtungen durchgeführt wurden. Die Ergebnisse hat Weiss alljährlich in der Kronstädter Zeitung, zeitweilig auch im Wanderer mitgeteilt. Zusätzlich veröffentlichte er auch phänologische Beobachtungen an wichtigen Tier- und Pflanzenarten. Von 1922 bis 1944 leitete er auch eine Schüler-Wetterstation am Honterusgymnasium. 1934 stellte er aufgrund seiner Beobachtungen eine erste Synthese über den Wetterverlauf in Kronstadt zusammen.
Als Weiss 1952, nach 40-jähriger Beobachtungszeit, seine Feststellungen über die Wetterveränderungen in Siebenbürgen als Folge der Klimaveränderungen in Europa niederschreiben wollte, wurde er irrtümlicherweise festgenommen und erlag den unmenschlichen Haftbedingungen. Seine Frau Margarete, schon vor 1952 aktive Mitbeobachterin, setzte die Wetterbeobachtungen bis April 1965 fort, so dass an dieser Wetterstation ununterbrochen 53 Jahre lang Beobachtungen durchgeführt wurden.
Eugen Karl Weiss hat viele Pflanzenarten mit Farbstiften gezeichnet und ein Herbarium pictum von etwa 250 Blütenpflanzen hinterlassen. Es enthielt etwa 500 Pflanzenbelege. Für die Verbreitung astronomischer Kenntnisse sorgte er durch die Veröffentlichung von monatlichen Sternkarten in der Kronstädter Zeitung.
Obige Informationen wurden aus dem Lexikon der Siebenbürger Sachsen übernommen.
Die Ehefrau von Eugen Karl Weiss, Margarethe geb. Fromm (14. 8. 1888 – 22. 4. 1965), Tochter des Mühlenpächters Martin Fromm und der Amalia Stadlmüller, ruht gemeinsam mit ihm in demselben Grab. Ihre beiden Söhne Gerald und Günther sind beide im Zweiten Weltkrieg gefallen. In diesem Grab liegen auch der Vater Eugens, Eduard Johann Weiss (22. 8. 1857 – 28. 6. 1921), und seine Mutter Luise geb. Trepches (1858 – 1917). Ein weiterer Sohn dieser beiden war Eduard Viktor Weiss (1879 – 1957), Schulprofessor für Religion und Deutsch an der Mädchenschule, heute Forsthochschule, bestattet auf dem Innerstädtischen Friedhof in der Gruft C41, Vater des bekannten Graphikers und Zeichners Helfried Weiss. Er war der Zeichenlehrer vieler Honterusschüler. Helfried Weiss starb 2007 in München.
Peter Simon
Grabstelle: ISrVIIIG22
Ein eigener Zufall brachte es mit sich, dass die beiden Männer, von denen heute ganz Kronstadt spricht, die in so hochherziger Weise Ihrer Volks- und Glaubensgemeinde gedachten, so bald nacheinander starben. Sie haben beide des Guten die Fülle getan – binnen 24 Stunden ist die Kronstädter ev. Kirchengemeinde durch die Vermächtnisse dieser braven Männer um 135.000 K reicher geworden und damit vor allem reicher an Zuversicht, dass der rechte Bürgersinn in ihren Gliedern nicht ausstirbt, der wohl auf die Erwerbung irdischen Gutes bedacht ist, dabei aber auch der idealen Güter nicht vergisst, die auch ein kleines Volk mit innerer Größe ausstatten und sichere Gewähr bieten für seine Zukunft.
In erster Linie halten wir es heute für unsere Pflicht, über die äußeren Lebensumstände der Männer Näheres mitzuteilen, deren Namen mit der Geschichte ihrer Kirchengemeinde unlöslich verknüpft sein wird. Solche Lebensbilder, so einfach sie sind, sie verdienen es, dem Gedächtnis der Mitlebenden und damit auch der kommenden Geschlechter eingeprägt werden. …
Viel mehr als Honigberger ist Wolf mit der Öffentlichkeit in Berührung gekommen. Wir sehen ihn noch jetzt vor unseren Augen, wie er in der Stadtvertretung trotz seiner 71 Jahre mit dem lebhaftesten Interesse an den Verhandlungen teilnimmt, kaum eine Woche vor seinem Tode besuchte er die Generalversammlung der Nationalbank und half mit, die Filiale derselben in Groß-Kikinda gründen. Der Tod hat den rüstigen Mann mitten aus dem Leben hinweggerafft.
Friedrich Wolf hat ebenfalls die Kronstädter Schulen besucht. Er selbst hatte, wie er den ihm Nahestehenden gern erzählte, Lust Theologie zu studieren, doch brachten es die Verhältnisse mit sich, dass er, nach Absolvierung der Quarta, zum Lederer bestimmt wurde, welchem Berufe er sich auch mit Fleiß und Ausdauer widmete. Als junger Meister errang er, unterstützt von seiner ihn heute betrauernden Witwe, bald ein so großes Zutrauen seiner vielen Kunden, dass es nur seinem und seiner Frau angestrengtesten Fleiße gelang, der großen Nachfrage nach seinen gesuchten Erzeugnissen zu genügen. Ihm blieb daher durch den Segen seiner Arbeit nichts versagt. Und als er sich, ermüdet von der harten Lebensarbeit, zur Ruhe zurückzog, – Wolfs Ehe blieb kinderlos – da hatte der für alles Gute leicht sich erwärmende Geist des Verblichenen erst recht keine Ruhe. Seine warme Liebe zu seinem Volkstum und seiner ev.-sächsischen Kirche, sein Gemeinsinn, seine opferwillige Arbeitsfreudigkeit in den Diensten der Allgemeinheit trieben ihn zur eifrigen Mitarbeit an den städtischen und nationalen Aufgaben der neuen Zeit, deren Bedürfnisse der agile Mann erkannte und zu würdigen verstand. In allen Ehrenämtern, in die ihn das Vertrauen seiner Mitbürger berief, zeichnete er sich durch seine Treue und Gewissenhaftigkeit aus. Stets übte er strenges Pflichtgefühl und unbeugsamen Sinn in allem, was er als recht und gut erkannte. Als Nachbarvater, als Mitglied der Städtischen Gemeindevertretung, die seine immer bereite Arbeitswilligkeit in vielen Kommissionen in Anspruch nahm, als Mitglied der größeren ev. kirchlichen Gemeindevertretung und des löblichen ev. Presbyteriums, überall entfaltete er dieselbe eifrige Tätigkeit.
Sein gerader, ehrlicher und offener Sinn trieb ihn – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Pflichtgefühl – oft in die vordersten Reihen der Mitkämpfer und seine zahlreichen Freunde werden sich auch aus den letzten Jahren mit Achtung des Mannes erinnern, der um der Sache willen, die ihm einmal gut und recht dünkte, auch persönliche Beschwerden, und wenn nötig, selbst Feindschaft nicht scheute. Leider war es ihm versagt, sein Gewerbe, wie er so gerne gewünscht hätte, in einem leiblichen Erben fortleben zu lassen. Aber die Liebe zum Gewerbstand und seinem Volke, wie zu seiner Kirche, hat er in glänzender Weise über das Grab hinaus bewiesen, indem er die Hälfte seines Vermögens unserer Kirchengemeinde mit der Bestimmung hinterließ, durch dasselbe junge, strebsame Gewerbetreibende in ihrer fachlichen Ausbildung zu fördern.
Das der Kirchengemeinde zu dem genannten Zweck (nach dem Ableben seiner Frau) zufallende Vermögen bewertet sich auf 70.000 K.
Durch diese Stiftung wird auch sein Name in unserer Kirchengemeinde in Ehren fortleben. Das Andenken beider Männer bleibt unter uns gesegnet.
Nachruf auf Adolf Honigberger und Friedrich Wolf aus der Kronstädter Zeitung vom 7. Mai 1901
Friedrich Wolf stiftete der Honterusgemeinde das Haus in der Schwarzgasse Nr. 42.
Peter Simon
Gruft: ISGD14



Historische Gräber
Bei historischen Gräbern handelt es sich um bestehende Grabstellen auf den gemeindeeigenen Friedhöfen, die zu erhalten der Gemeinde ein Anliegen ist. Dabei steht nicht der Ehrungscharakter im Vordergrund. Diese Gräber werden aus historischen, kunst- oder kulturhistorischen Gründen bewahrt.
Gräber, die in der Obhut einer Familie sind, verbleiben dort, wenn ein bestehendes Grab zum historischen Grab erklärt wird. Sind keine Angehörigen mehr vorhanden, trägt die Gemeinde für die Grundpflege Sorge. Der Status des historischen Grabes wird durch Presbyterialbeschluss verliehen.