von Ágnes Ziegler
Leiterin Denkmalressort
Nun spreche ich – ich bin das Feuer!
– Das Dach aus Schindeln? – Das ist gut!
Ich springe auf die Nachbarhäuser,
vernicht’ die Mauern mit der Glut.
Und mit dem Winde, meinem Helfer,
da zünde ich die Altstadt an,
die Innbrück’ und den Dom genauso –
weil aufhalten mich niemand kann!
aus: Paul Uhl, Passauer Stadtbrand, 1662
Am 21. April vor 330 Jahren entflammte in Kronstadt ein verheerender Stadtbrand, der beinahe augenblicklich als eine der größten Katastrophen der Stadt in das öffentliche Bewusstsein aufgenommen wurde. In der Kronstädter Erinnerungskultur markiert der Brand den Anfang vom Ende, den Beginn des Niedergangs nach Jahrhunderten der weitgehenden politischen, kirchlichen und juristischen Selbständigkeit, der Vormachtstellung in Handel und Gewerbe. Spätestens die romantische Bezeichnung unserer Stadtpfarrkirche als „Schwarze Kirche“ erinnert uns daran, dass dem Brand neben zahlreichen Menschenleben auch viel städtische Bausubstanz und bedeutende Kulturzeugnisse zum Opfer fielen.
Abendmahlskanne mit der Darstellung der Trunkenheit Lots, mit dem brennenden Sodom im Hintergrund.
Aber was wissen wir über dieses Ereignis und was lässt sich überhaupt mit einer gewissen Genauigkeit darüber aussagen?
„…welchen Anblick die Schwangeren und die kleinen Kinder boten, konnte ich wohl sehen, beschreiben kann ich es nicht…“
Reportagen
Bei der Erkundung historischer Ereignisse lang vergangener Jahre sind wir meistens auf schriftliche Quellen angewiesen. Einige Berichte sind glücklicherweise auch zum Kronstädter Stadtbrand überliefert. Chronisten hielten die damaligen Ereignisse in telegraphischer Kürze fest. Knappe Beschreibungen des Stadtbrandes wurden aber auch in unterschiedliche Urkunden der städtischen Zünfte aufgenommen. Als offizielle Stellungnahme der Stadt zu dem Brand kann der Text betrachtet werden, der in den Knopf des neu errichteten Turmhelms der Schwarzen Kirche eingefügt wurde. Diese Wiedergabe der Brandereignisse wurde im Jahr 1694 auf Bestellung des Kronstädter Senats durch den Stadtsekretär Martin Seewald verfasst. Sie wurde vielfach kopiert und ist bis heute in mindestens dreizehn zeitgenössischen Exemplaren überliefert. Am ausführlichsten hat sich mit dem Thema des Stadtbrandes der damalige Stadtprediger, der spätere Kronstädter Stadtpfarrer Markus Fronius, befasst. Seine Schrift Magister Marci Fronii fatalis urbis exustio anno 1689, eine sogenannte öffentliche Tagebuchaufzeichnung, führt die damaligen Kenntnisse und Theorien über die Ursachen des Brandes und das Ausmaß der Verluste aus. Es sind aber auch weitere, lyrischer oder eben auch pathetischer formulierte Berichte aus seiner Feder überliefert.
Selbst wenn – oder eher: weil – die überlieferten Berichte aus den Händen von Personen stammen, die den Brand selbst miterlebt haben, können diese Beschreibungen nicht vorbehaltlos als zuverlässig betrachtet werden. Die subjektiven Zeugnisse der von schweren Verlusten betroffenen Menschen sind von Übertreibungen, Verschwörungstheorien und stereotypen Gemeinplätzen durchtränkt und sind deshalb nur bedingt geeignet, um selbständig ein sachliches Bild von den Vorgängen zu liefern. Sie weisen zahlreiche Klischees auf, die in fast wortgleicher Form bei der Beschreibung anderer Stadtbrände vorkommen, etwa in Beschreibungen der Brände von Passau (1662) oder London (1666). Ähnlich der sogenannten Brandveduten, die ebenfalls im Nachhinein entstehen, die ursprünglichen Erinnerungsbilder durch Bildklischees ersetzen und lediglich die Atmosphäre einer beliebigen, brennenden Stadt vermitteln, bedienen sich die Beschreibungen häufig der gleichen Sprachlichkeit.
Erst kürzlich entdeckte die Historikerin Zsófia Szirtes eine bisher unbekannte Schriftquelle und wertete sie auf hervorragende Weise in einem wissenschaftlichen Aufsatz aus. Bei dem Text handelt es sich um das Protokoll einer Zeugenanhörung, die nach dem Brand von dem siebenbürgischen Fürsten Mihály Apafi I. veranlasst worden war. Die Vernehmung hatte den Zweck, der Ursache des Feuers und den Umständen der Verbreitung des Brandes auf die Spur zu kommen. Zahlreiche prominente Persönlichkeiten des Kronstädter Bürgertums wie der Stadtrichter und die Ratsherren kommen darin zu Wort. Sie beschreiben, wo sie zum Zeitpunkt des Brandes gewesen seien, welche Kenntnisse sie von dem Ort und der Ursache der Entstehung des Brandes hätten und ob sie Hinweise auf eine Brandstiftung wahrgenommen hätten. Obwohl die Quellengattung des Anhörungsprotokolls selbst als sachlich gilt, kann man selbst in diesem Fall nicht bedenkenlos von einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Ereignisse durch die Vernommenen ausgehen. Das Verhör fand zwei Wochen nach dem Brand statt, so dass die Zeugenaussagen bereits durch ein kollektives Empfinden beeinflusst worden sein können. Eine Gruppe von Zeugen berichtet etwa, dass Soldaten Häuser in Brand geschossen hätten; andere wiederum sagten aus, dass Soldaten bei den Bemühungen, den Brand zu löschen, geholfen hätten. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass es sich bei dem „Beschuss“ eher um eine Feuerbekämpfungsmaßnahme handelte, die dazu angelegt war, Baulücken zu reißen, durch die die Flammen aufgehalten werden sollten. Nicht selten berichten die Vernommenen auch phantasievoll von übernatürlichen Phänomenen, als da waren schröckliche Kometen, feuerspeiende Strahlen, Blutballen und dergleichen ungewöhnlichen Himmels-Aspecten mehr.
„Fragst du nach den Ursachen all dieses ergangenen Übels?“
Erklärungsmuster
Die Ursache des Brandes ist bis heute nicht eindeutig feststellbar. Es ist eine natürliche menschliche Reaktion, die Ursachen einer solchen Tragödie möglichst schnell aufzudecken zu wollen – nicht nur, um die Verantwortlichen auszumachen, sondern auch, um möglichst alles zu tun, um zukünftige Wiederholungen zu vermeiden. Wie in London, Passau oder zahlreichen anderen brandgeschädigten Städten, so entstanden auch in Kronstadt diverse Theorien über die Entstehung des Brandes. Sehr verbreitet war und ist teils auch heute noch die Annahme, dass Kronstadt durch die in der Stadt einquartierten österreichischen Soldaten in Brand gesetzt worden sei. Politisch war die Wende zum 18. Jahrhundert in Siebenbürgen durch die habsburgische Machtübernahme gekennzeichnet – ein Prozess, der die Kronstädter, aus Furcht über den möglichen Verlust ihrer Privilegien und ihres Wohlstands, zutiefst beunruhigte und gegen den sie sich mehrfach widersetzten. Der Vorwurf der Brandstiftung, wie er von den Kronstädter Chronisten formuliert wurde, verdüsterte – möglicherweise absichtsvoll – zusätzlich das Feindbild, verkörpert in der Gestalt des österreichischen Soldaten. Dass die österreichischen Soldaten, wie die Quellen berichten, das Chaos des Brandes tatsächlich ausnutzten, um zu plündern, verbesserte ihr Ansehen keineswegs. Die Kronstädter Historikerin Maja Philippi relativierte die Hypothese von den österreichischen Soldaten als Verursachern und Profiteuren des Brandes durch die Schilderung der Nachteile, die den ihnen in der Folge des Brandes zuteilwurden, auf überzeugende Weise. Kronstadt spielte für das österreichische Militär eine zu wichtige strategische Rolle, als dass es dessen Schwächung durch einen Großbrand bewusst in Kauf genommen hätte.
Neben den weltlichen Ursachen wurde von Zeitzeugen aber auch häufig eine geistliche Begründung für das Feuer ins Feld geführt. Hauptsächlich durch seine öffentlichen Schriften und Predigten trug der Geistliche Marcus Fronius dazu bei, die Vorstellung vom Kronstädter Stadtbrand als göttlicher Strafe für die sündhafte Lebensführung der Kronstädter zu verbreiten. In den jährlich am Jahrestag des Brandes von der Kanzel der Schwarzen Kirche gesprochenen sogenannten Brandpredigten zog er direkte Parallelen zwischen brandzerstörten biblischen Städten wie Jerusalem, Sodom, Gomorra und Kronstadt und forderte die Bürger zur Buße mit den Worten der Propheten Jeremia, Jesaia oder Amos auf. „Fragst du nach den Ursachen all dieses ergangenen Übels, so ist dieselbe zwar anfänglich unsere grosse übermachte himmelschreiende Sünde, vornehmlich der Veracht Gottes und seines Wortes, der große Hochmut in Kleider, Geberden und Werken, die allzuoftmalig prächtige Zusammenkünfte der Zechen, wollüstiges Pankettieren und dergleichen Schand und Laster mehr, davon man nur durchaus nicht ablassen wollen…”. Der inständige Aufruf zu Besserung und Tugend, den Marcus Fronius in seinen Brandpredigten auf die versammelte Gottesdienstgemeinde niedergehen ließ, kommt gleichfalls zu einer lebhaften Darstellung auf der – wohl von Fronius selbst konzipierten – Kanzel der Schwarzen Kirche.
Tür des Kanzelaufgangs in der Schwarzen Kirche mit der Darstellung der Berufung des Propheten Jeremia. Der Verweis auf den berühmtesten Brandprediger der Bibel ruft den Prediger dazu auf, die Menschen vor der Sünde und der nachfolgenden göttlichen Feuerstrafe zu warnen, wie Jeremia es bereits tat.
Als mögliche – irdische – Brandursache kommt allerdings nicht unmittelbar Brandstiftung in Frage. Offenbar entflammte der Brand in einem Werkstattgebiet am unteren Ende der Schwarzgasse und breitete sich rasch Richtung Innenstadt aus. Zu jener Zeit wurden offene, ebenerdige Öfen zum Beheizen der Räume, zum Kochen, aber auch zur Verrichtung unterschiedlicher handwerklicher Tätigkeiten benutzt. Wenn eine unbeaufsichtigte Flamme in einer mit Brennmaterial reichlich angefüllten Zunftwerkstatt den Weg aus dem Ofen fand, konnte es leicht zu einem umfassenden Brand kommen. Der viertägige Große Brand von London (1666) brach versehentlich in einer Backstube aus. Im Kronstadt des Jahres 1689 wurde die schnelle Verbreitung der Flammen von äußerlichen Faktoren begünstigt: die warme, trockene Jahreszeit, der leichte Wind und der unglückliche Umstand, dass die Wasserversorgung der Stadt gerade unterbrochen war. Die mittelalterliche Bauweise, die eng aneinander gebauten Häuser mit hölzerner Struktur, die Schindeldächer und die Dachböden voll brennbaren Materials trugen zur unaufhaltsamen Verbreitung bei.
„Doch war kein größerer Jammer zu sehen, als der verwüstete Tempel ”
Verlustrechnungen
In den wenigen Stunden, in denen der Brand über die Straßen Kronstadts streifte, wurden neben der Innenstadt teils auch die Vororte betroffen. Zahlreiche Wohnhäuser wurden zerstört und die Menschen erstickten in den feuer-, nicht aber rauchsicheren Kellern. Über dreihundert Tote verzeichnen die Quellen. Die Wehrmauer der Stadt wurde beschädigt und wertvolle öffentliche Gebäude gingen zugrunde: das Rathaus, die Schulen, die Kirchen einschließlich der Stadtpfarrkirche. Um die Zerstörung dieser letzteren wurde am eingehendsten getrauert, da sie bereits damals als Wahrzeichen der Stadt galt – vor allem aber, weil sie all das symbolisierte, womit sich die damalige Stadtgesellschaft zu identifizieren vermochte: Hier war die Wiege der Reformation, hier war das geistliche Zentrum und der hauptsächliche Versammlungsort der Stadt, der auf eine Kontinuität von über drei Jahrhunderten zurückblickte, und hier war nicht zuletzt die Hauptbühne der bürgerlichen Selbstdarstellung. Da das große Dach der Kirche zusammenstürzte und die gotischen Gewölbe durchbrach, konnten die Flammen und die glühenden, in die Kirche gefallenen Balken die gesamte Innenausstattung zerstören oder zumindest zu weiten Teilen beschädigen, so Emporen, Gestühle, Altar, Orgel, Portale, Fenster und Epitaphien. Bloß das, was in der Sakristei aufbewahrt oder spontan gerettet wurde – wie etwa das Taufbecken –, entkam der Vernichtung.
Balkendecke aus dem Jahr 1524 in einem Haus in unmittelbarer Nähe der Schwarzen Kirche.
Es ist allerdings schwierig, sich ein genaues Bild über das exakte Ausmaß der Zerstörung zu machen, da Brände in städtischen Quellen in der Regel katastrophaler dargestellt werden, als sie in der Tat gewesen sein können. So sind zwar die Dächer der Häuser mit dem wertvollen Warenvorrat zerstört worden – die Häuser selbst aber sind keineswegs vollständig zugrunde gegangen. Das bezeugen auch Balkendecken, die sich in Häusern unmittelbar bei der Schwarzen Kirche befinden, aus dem 16. Jahrhundert stammen und den Brand überlebt haben. Das überlieferte Bild einer umfassenden Brandvernichtung der alten Stadt wird auch durch mikroskopische Analysen an den mittelalterlichen Chorpfeilerstatuen der Schwarzen Kirche relativiert. Diese Untersuchungen legen offen, dass die Schwärze unserer Kirche, wie wir sie aus Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts her kennen, ausschließlich durch Luftverschmutzung und nicht durch den Ruß eines Großbrandes entstanden ist.
Durch die Luftverschmutzung geschwärzte Stützpfeilerstatue. Fotografie von Oskar G. Netoliczka
Nach dem Brand waren die Traumata und Ängste um weitere Zerstörungen groß. Man suchte sich mit kleinen Sicherheitsmaßnahmen zu helfen, man führte Ziegelbedeckung für die Dächer ein und trug große Holzfässer auf den Dachboden der Schwarzen Kirche. Man füllte die Fässer im Frühjahr mit Wasser und leerte sie im Herbst wieder, um Wasser im Falle neuer Brände bei der Hand zu haben. Und obwohl die Schriftquellen bezeugen, dass die Stadt noch Jahrzehnte nach dem Brand in der Stimmung des Habsburger-Wiederstandes und in der topischen Opferklage der Brandgeschädigten schwelgt, ist inzwischen bekannt, dass der Wiederaufbau von Stadt und Kirche rasch, dynamisch und ohne wesentliche Qualitätskompromisse aufgenommen wurde. Bereits im Juli 1689 wurde der Zimmermann für den Neubau des monumentalen Dachstuhls angestellt und die Arbeit begonnen. In den neunzig Jahren nach dem Brand, die der Wiederaufbau dauerte, erhielt sie weitgehend das Gesicht, das wir auch heute kennen. Die Bezeichnung „Schwarze Kirche“ wird aber erst im 20. Jahrhundert geläufig.
Literaturempfehlungen:
Maja Philippi – Lore Wirth-Poelchau: Magistri Marcii Fronii Fatalis Urbis Exustio Anno 1689. 300 Jahre seit dem Großen Brand von Kronstadt, in: Siebenbürgische Semesterblätter, 3 (1989), 2, 134-142.
Szirtes Zsófia: Tanúvallatási jelentés az 1689. évi brassói tűzvészről, in: Lymbus. Magyarságtudományi forrásközlemények. 16 (2018), 323-347.
Urbs incensa. Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt in der frühen Neuzeit. Hrsg. Vera Fionie Koppenleitner, Hole Rößler, Michael Thimann. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München, 2011.