Von der Güte der Ausbildung, die eine Gesellschaft ihren Kindern zukommen lässt, hängt die Zukunft in existentieller Weise ab. Die alten Kronstädter waren sich dessen bewusst und stellten dies durch bedeutende Schulgründungen unter Beweis.
Auf die früheste Schulgründung Kronstadts verweist seit kurzer Zeit eine Fassadeninschrift an dem jüngst restaurierten Gebäude, das sich unmittelbar gegenüber des Westeingangs der Schwarzen Kirche befindet. Die Initiative ergriff die Eigentümerin des Gebäudes, die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt, im Rückgriff auf eine Idee ihres unvergessenen Archivars Gernot Nussbächer. Die Worte HIC FUIT PRIMA SCHOLA ECCLESIAE PAROHIALIS CORONENSIS 1388-1547 („Hier befand sich die erste Schule der Kronstädter Pfarrkirche 1388-1547“) erinnern daran, dass sich an dieser Stelle seit spätestens 1388 eine mittelalterliche Lateinschule befand, die zum Ausgangspunkt des Kronstädter Schulwesens werden sollte. Diese „alte Schule“ wurde schrittweise in ein humanistisches Gymnasium verwandelt: 1541 errichtete man in unmittelbarer Nähe ein neues Schulgebäude und 1543 wurde die Schulanstalt durch die neue Schulordnung des Johannes Honterus auch „innen“ neu geordnet. Bald verbreitete sich der gute Ruf des Gymnasiums weit über die Grenzen des Landes, sodass es im Laufe der Jahrhunderte nicht nur deutsche, sondern auch viele ungarische und rumänische Schüler anzog. Aus dem Gymnasium entwickelte sich schließlich die gegenwärtige moderne Schule, das Nationalkolleg „Johannes Honterus“, und bis heute engagiert sich die evangelische Kirchengemeinde vor Ort nachdrücklich um die Unterstützung des deutschsprachigen Unterrichts in humanistischem Geiste.
An der Stelle der „alte Schule“ errichtete man bis 1547 einen Neubau, der ebenfalls schulische Funktionen erfüllen sollte: Im Obergeschoß beherbergte er die berühmte Gymnasialbibliothek und im Erdgeschoß den großen Vorlesungssaal des Gymnasiums, das „Auditorium“. Bedauerlicherweise wurde bei dem großen Stadtbrand vom 21. April 1689 der obere Teil des Hauses zerstört und ein Großteil der Bibliothek fiel den Flammen zum Opfer. Die Inschrift, die an die berühmte Gymnasialbibliothek erinnert, „HIC FUIT BIBLIOTHECA SCHOLAE CORONENSIS IOHANNES HONTERUS – 1547“, schmückt bereits seit geraumer Zeit die der Schwarzen Kirche zugewandte Fassade des Gebäudes. Im Erdgeschoß blieb die Bausubstanz des 16. Jahrhunderts aber größtenteils erhalten, und heute empfängt hier im alten „Auditorium“ der bezaubernde Geschenkeladen der Schwarzen Kirche, INSPIRATIO gift studio, die Eintretenden in historischem Ambiente.
Im August dieses Jahres waren auf Einladung der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt besonders engagierte Fachkräfte eigens nach Kronstadt gekommen, um die neue Inschrift sachgerecht anzubringen. Erfahrene Ausbilder und zwanzig Auszubildende im Maler- und Lackiererhandwerk aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen zwischen dem 13. und dem 22. August auf Einladung der deutschen Sto-Stiftung an einem „Internationalen Denkmalcamp“ in Martinsdorf teil. In Verbindung mit dem Verein „Handwerkerschule Martinsdorf e.V.“ erhalten diese jungen Menschen die Gelegenheit, sich unter fachlicher Anleitung mit dem Restaurieren von historischen Objekten vertraut zu machen.
Vier der Auszubildenden kamen von Martinsdorf auf Stippvisite nach Kronstadt, um die Fassadeninschrift anzubringen. Es war eine bedenkenswerte Fügung, dass eine Inschrift, die dem Gedenken an die Bildungstradition gewidmet ist, gerade mit Beteiligung von jungen Auszubildenden angebracht wurde.
Für die Jugendlichen war es ein besonderes Erlebnis, an einem Ausbildungs-Camp in Siebenbürgen teilzunehmen. Celine, Teilnehmerin aus der Schweiz, sagte, sie sei so begeistert, dass sie sich auch für das nächste „Denkmalcamp“ im Jahr 2022 bewerben wolle; aber Siebenbürgen finde sie so großartig, dass sie entschlossen sei, einmal zurückzukehren, „und sei als Tellerwäscherin“.
Die Inschrift wurde zum richtigen Zeitpunkt angebracht, denn im Oktober wird das Nationalkolleg „Johannes Honterus“ 480 Jahre seit seiner Gründung feiern. Es ist sehr erfreulich, zu bemerken, dass die Kronstädter gerade in diesem Jubiläumsjahr ihr Bildungsanliegen bereits einmal mit einem beherzten, gleichgesinnten Partner teilen konnten.
von Frank-Thomas Ziegler