Louise Marie Anne Netoliczka, geboren am 29. Juli 1893 in Kronstadt, war Spross einer angesehenen Kronstädter Familie von Intellektuellen und Künstlern. Als sie am 7. Juli 1974 auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar starb, hieß es in einem ihr gewidmeten Nachruf: „Niemand besitzt ein so umfassendes Wissen über die Trachten und die Volkskunst Siebenbürgens, wie sie es hatte.“
Luise Treiber-Netoliczka: mit Nicolae Iorga und anderen Teilnehmern der Sommerakademie in Vălenii de Munte, um 1935
Vor ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1963 übergab sie der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Kronstadt zwei vorbildlich geordnete Konvolute: den persönlichen Nachlass des Vaters D. Dr. Oskar Franz Josef Netoliczka und ihre eigene, bis dahin zusammengetragene Arbeitsdokumentation. Gemeinsam mit jenem Teil ihres Nachlasses, der sich an der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim erhalten hat, und ihrer Sammlung von Glasnegativen, die das Siebenbürgische Museum für Volkskunde in Klausenburg bewahrt, bildet er auch heute noch einen teils ungehobenen Schatz.
Luise Treiber-Netoliczka: In der Kürschnerwerkstatt Bergel, Bistritz, um 1930
In Kronstadt hat sich neben der schriftlichen Dokumentation ihrer Feldforschungen auch ein teils unveröffentlichter Fundus von Bildträgern erhalten. Das Ethnographische Museum Kronstadt und die Evangelische Kirche A. B. Kronstadt haben 2024 eine partnerschaftliche Vereinbarung geschlossen, die den Rahmen für die erstmalige systematische Erschließung des fotografischen Nachlasses bildet (Erstinventarisation, Digitalisierung, Konservierung). Nach derzeitiger Einschätzung enthält er etwa 800 Glasnegative, 350 Filmnegative, über 1900 Fotografien auf Papier, etwa 400 Glasdiapositive und mindestens zwei Alben.
Luise Treiber-Netoliczka: Rumänin aus der Oberen Vorstadt Kronstadts in Festtagstracht, 1933
Der Kronstädter Nachlass ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Luise Treiber-Netoliczka hat umfangreiches Material zur Trachtenlandschaft des Burzenlandes hinterlassen – sowohl zu den Trachten der Siebenbürger Sachsen als auch zu denen der Rumänen und der Tschango. Dieses Material wie auch solches, das aus anderen Regionen Rumäniens stammt, wurde bislang nur zum Teil veröffentlicht und harrt seiner Auswertung.
Luise Treiber-Netoliczka: Knaben aus Baiersdorf bei Bistritz in Alltagstracht, 1931
Allerdings ist der Nachlass nicht nur für die volkskundliche Forschung selbst, sondern auch für die Forschung zur Geschichte des Faches Volkskunde relevant. Dadurch, dass zusammengehöriges Text- und Bildmaterial erhalten ist, gewinnen wir spannende Einblicke in die Arbeitsweise von Luise Treiber-Netoliczka als Ethnographin, insbesondere in die Art und Weise, wie sie die Fotografie als Arbeitsmittel ergänzend zur Schriftdokumentation eingesetzt hat. Auf der Grundlage dieser neuen Evidenz muss dann die Frage gestellt werden, ob die Bedeutung, die Luise Treiber-Netoliczka innerhalb der Wissenschaftsgeschichte der Ethnographie bislang zugewiesen wurde, noch angemessen ist.
Oskar G. Netoliczka: Die Schwester Luise Treiber-Netoliczka, 24. Dezember 1936
Und nicht zuletzt gewährt der Nachlass dadurch, dass er auch Werke anderer Fotografen beinhaltet, vor allem die des jüngeren Bruders Oskar G. Netoliczka oder aber auch des Fotoamateurs Josef Glatzl, neue Erkenntnisse zu deren eigenem Werk.
Vorstellung des Projekts am 25. März 2025 durch Camelia Neagoe und Dr. Frank-Thomas Ziegler im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kulturerbe hautnah“
Download: Faltblatt Vortragsabend 25. 03. 2025 Luise Treiber-Netoliczka.pdf
Projektteam:
Camelia Neagoe, Museum für Volkskunde, Kronstadt
camelia.neagoe@etnobrasov.ro
Dr. Frank-Thomas Ziegler, Evangelische Kirche A. B. Kronstadt
frank.ziegler@biserica-neagra.ro